Marokko: Die Nomaden des Hohen Atlas

Es gibt Begegnungen auf Reisen, die lassen sich nicht in Worte fassen – nicht wirklich. Sie sind eine Mischung aus Staunen, Respekt und dieser leisen Demut, die sich einstellt, wenn man begreift, dass man in einer Welt lebt, die man selbst nie wirklich erfahren wird. So geht es mir jedes Mal, wenn ich den Nomaden in den Bergen des Atlas begegne.

Ich habe sie oft gesehen auf meinen Wegen durch die einsamen Pisten des Hohen Atlas, in den kargen Weiten des Anti-Atlas, zwischen steinigen Hängen und ausgetrockneten Flussbetten, wo kaum etwas anderes überlebt als diese Menschen und ihre Tiere.

Einladung zum Tee am Morgen bei Nomaden
Ihre Zelte – kaum mehr als ein Schutz aus dunklem Stoff, gespannt zwischen Stangen und Steinen – wirken fragil in einer Welt, die nur aus Wind, Sonne und Staub zu bestehen scheint. Und doch sind sie hier zu Hause, seit Generationen.

Die Kommunikation ist meist rudimentär. Ein Lächeln, eine Geste, manchmal ein Wort auf Arabisch, Tamazight oder Französisch, das zufällig verstanden wird. Und doch braucht es keine langen Gespräche, um zu begreifen, dass ihr Leben so weit von meinem entfernt ist wie der Mond von der Erde. Ich komme mit meinem Allradwagen, meiner modernen Ausrüstung, meinem Luxus, den ich nicht einmal als solchen begreife – und sie leben mit dem, was die Natur ihnen gibt und was ihre Herden ihnen lassen. Schafe, Ziegen, manchmal Kamele. Wasser, wenn sie es finden. Brot, Tee, vielleicht ein wenig Datteln oder Oliven.

Und doch sind sie es, die mir oft etwas zu essen anbieten. Ein Stück Fladenbrot, ein Glas Tee, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, mit einem Fremden zu teilen, was man selbst kaum hat. Diese Momente bleiben, lange nachdem die Reifenspuren im Wüstensand verweht sind.

Stolzer Besitzer einer Herde auf dem Rekkam Plateau im Osten
Der Filmbericht zeigt das Leben dieser Nomaden auf eine Weise, die mir vertraut ist und die doch jedes Mal aufs Neue fasziniert. Besonders eindrucksvoll ist die Geschichte der Familie Ben Youssef vom Stamm der Aït Atta, die mit ihren 800 Ziegen, Eseln, Maultieren, Kamelen und Hunden jedes Jahr die 150 Kilometer lange Strecke von der Wüstenregion N'Kob bei Ouarzazate zu den grünen Sommerweiden in Igourdane zurücklegt. Der Weg ist beschwerlich: heiße, trockene Tage, kalte Nächte, kaum Wasser oder Nahrung. Icho und seine Familie bahnen sich einen Weg durch zerklüftetes Gelände zum Agdal, einer gemeinschaftlich bewirtschafteten Weide, auf der sie das Recht haben, ihre Herden als Erste grasen zu lassen – ein Privileg, das seit Jahrhunderten Bestand hat.

Doch die Zeiten ändern sich. Die Kinder von Icho leben in N'Kob, wo sie zur Schule gehen. Ihr Traum: dass ihre Eltern eines Tages sesshaft werden. Die Dokumentation zeigt die Zerreißprobe zwischen Tradition und Moderne, zwischen einem jahrhundertealten Lebensstil und den Herausforderungen einer sich wandelnden Gesellschaft.

Vielleicht ist es genau das, was mich immer wieder an ihnen beeindruckt: Sie sind frei auf eine Weise, die wir nie sein werden. Keine Mauern, keine Termine, keine Verpflichtungen jenseits des eigenen Überlebens. Ein harter Weg, sicher. Aber einer, den sie selbst gewählt haben. Und einer, den ich jedes Mal mit einem stillen Respekt betrachte, wenn ich sie irgendwo im Nirgendwo des Atlas antreffe.

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