Überleben bei Minus-Graden - Grenztester VS Otto Bulletproof

Samstagmorgen, Januar 2014. Der Mond hing noch fett und weiß am Himmel, als wir loszogen, Benjamin und ich. Grenztester, unterwegs zwischen Technik und Spiritualität, zwischen Allrad und Schneeketten, zwischen Feuerstahl und kaltem Biwaksack. Wir wollten uns testen, unsere Ausrüstung, unsere Nerven, unsere verdammte Belastungsgrenze. Und wir wollten wissen, was passiert, wenn man sich gegen die Natur stellt, ohne sich ihr zu unterwerfen.

 

Treffpunkt: Südschwarzwald, 08:00 Uhr. Lörrach versank unter einer dicken Wolkendecke, als wir ins schweizerische Mittelland hinabtauchten. Nebel, schweigsam und schwer. Zwei Stunden auf der Autobahn, und dann begann der Aufstieg zum Jaunpass. Erste Lichtblicke am Himmel, erste Hoffnung auf ein Wochenende ohne grau-in-grau.

Der Weg, den wir einschlugen, war keiner, den man auf einer Karte finden würde. Wenn du ihn nicht kanntest, würdest du ihn nicht finden. Und wir kannten ihn. Erst Asphalt, dann Schnee, dann eine geschlossene weiße Decke, unberührt, unser Jeep der erste, der seine Spuren hinterließ. 35, vielleicht 40 Zentimeter Neuschnee. Der Sound des Harschs unter dem Unterboden. Es ging gut, bis es nicht mehr ging.

Erste Kehre. Der Schnee hatte einen fiesen Sulz, darunter eine glatte Eisschicht. Die Technik, unser Stolz, unser 3-Tonnen-Allrad-Häuptling, begann zu rutschen. Kein Sperrdifferenzial, keine Untersetzung, kein „Snow“-Modus half mehr. Also raus, Schaufel in die Hand, Schneeketten drauf. Zweiter Versuch. Diesmal funktionierte es. Langsam, Schritt für Schritt, frästen wir uns weiter nach oben. Aber der Schnee wurde tiefer.

1450 Meter. Schicht im Schacht. Keine Chance weiterzukommen. Wir ließen den Cherokee zurück, schnallten uns die Rucksäcke auf und gingen zu Fuß weiter. Benjamin führte uns zu einer Wiese, irgendwo unterhalb eines halb zerfallenen Hochgebirgsstalls. Windgeschützt, mit Blick ins Tal. Gut genug für die Nacht.

Das Feuer. Mein Firesteel, Benjamins Kienspan. Zehn Minuten Schaben, Funken, Fluchen. Die Finger klamm, der Stolz angekratzt. Aber dann loderte es. Das heiße Wasser dampfte. Fichtennadeltee. Der Geschmack von Kälte, von Männern, die in der Wildnis hocken und ihre letzten Prozent Akkulaufzeit gegen eine warme Nacht eintauschen.

Benjamin schlief unterm Tarp, in einer Wolldecke eingerollt wie ein verdammter Prophet. Ich in meinem Biwaksack der niederländischen Armee, wasserdicht, winddicht, aber nicht gefeit gegen die verdammte Feuchtigkeit, die einem langsam in die Knochen kroch. Die Nacht kam, der Mond blieb weg, der Frost kehrte zurück. Es war still. Bis auf die Tropfen der Bergfichten, die Stille durchschnitt wie eine tickende Zeitbombe.

Morgen. Kaffee aus der Kelly Kettle. Die Sonne schleppte sich hinter die Gipfel, während wir unsere Sachen packten. Irgendwann fanden wir Spuren im Schnee. Ein Fuchs, neugierig, aber nicht dumm genug, sich zwei verfrorenen Gestalten zu nähern, die nach Feuer und Abenteuer rochen. Wir ließen nichts zurück. Keine Spuren, kein Müll, nur die Kuhle, in der wir gelegen hatten. 

Runter ins Tal, Ketten ab, weiter. Der Col de la Croix war gesperrt. Wir landeten in einer Schlucht, kochten uns eine Reispfanne mit Chevapcici und heißer Bouillon. Doch dann die nächste Grenze: Ein militärisches Sperrgebiet.

La Thuille? Vergiss es. Zu viel Schnee, zu viele gesperrte Pässe, zu wenig Zeit. Also zurück. Unten im Tal hing der Nebel noch immer dort, wo wir ihn am Morgen zurückgelassen hatten. Als hätte sich nichts verändert. Aber wir wussten es besser.

Denn manchmal sind es nicht die Kilometer, die zählen. Sondern die Grenzen, die du kennst, die du testest, die du akzeptierst. Und die wenigen, die du brichst.


Übrigens: meine kälteste Nacht habe ich am 05. Januar 2017 bei Inari mit -36 Grad ohne Standheizung verbracht. Den Artikel dazu lest Ihr HIER bei Matsch&Piste 
Und hier zeigt uns Otto wie man eine eiskalte Nacht bei -25°C in der kanadischen Wildnis überlebt 🌨️❄️ Ohne Zelt, nur mit minimaler Ausrüstung stellt er sich ganz alleine der ultimativen Winter Challenge. Gefrorene Finger, eisiger Wind und ein Feuer, das über Leben und Tod entscheidet

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