Dann endlich Algeciras. Fährticket, Kaffee, der nach Schiffsdiesel schmeckt, und ein letzter Blick auf Europa. Marokko ruft. Vier Wochen später könnte ich tot, verhaftet oder erleuchtet sein – wahrscheinlich eine Mischung aus allem.
Ankunft in Tanger Med – Fragen nach Drogen, Waffen und Drohnen
Tanger Med. Die Grenzbeamten starren mich an, als wäre ich die Reinkarnation eines gesuchten Warlords. Keine Drogen, keine Waffen, keine Drohnen – was für eine Enttäuschung. Dann winken sie uns durch, als ob sie plötzlich keine Lust mehr hätten. Willkommen in Marokko.
Der erste richtige Halt: Lac de Tislit in den Bergen bei Imilchil. Eine Gegend, die aussieht, als hätte ein betrunkener Gott sie entworfen – schroffe Berge, frostige Nächte, ein paar verirrte Ziegen. Die Zwillingsseen, angeblich entstanden aus den Tränen eines unglücklich verliebten Berberpaars. Romantisch, wenn man auf herzzerreißende Geschichten steht. Ich war mehr damit beschäftigt, einem gestrandeten Tiroler Flip-Flop-Träger aus dem Schlamm und der Scheiße zu helfen, der offenbar dachte, er sei auf Ibiza.
Die Pässe wurden höher, die Nächte kälter. Der Hohe Atlas, die gnadenlose Wirbelsäule Nordafrikas, mit Gipfeln, die sich über 4000 Meter in den Himmel reißen. Der Toubkal, mit 4167 Metern der King unter ihnen. Die Pässe? Tizi n’Tichka (2260 m), eine Straße, die aussieht, als hätte sie ein Blinder in die Felsen gefräst. Tizi n’Test (2100 m), steiler, fieser und mit mehr Kreuzen am Straßenrand als einem lieb ist. Und dann unser Pass auf 2946 Metern – die Luft dünn, die Aussicht so scharf, dass sie dir die Netzhaut zerreißt.
Zagora – Werkstattbesuch mit Tee und dem Fluch der Federpakete
Marokko gibt dir Schönheit und nimmt dir deine Technik. Tagounite nach Zagora – perfekte Pisten, Sand in den Zähnen, dann ab in die Garage Iriki. Die OME-Federpakete von Taubenreuther? Nach zwei Wochen und 3000 km so durch wie ein billiger Porno-Darsteller. Asiz, der magische Mechaniker von Zagora, schüttelt den Kopf, flucht leise und regelt das mit seinem kompetenten und netten Team in ein paar Stunden. Tee, Schraubenschlüssel, Gelassenheit. Deutsche Ingenieurskunst? Netter Versuch. Die Marokkaner machen es besser. Selbst an einem verfluchten Sonntag. Freitagsgebet: scheiss drauf. Nach der Moschee wird weitergearbeitet und Allah schaut weg.Dann Mhamid und Erg Chegaga. Ein Deutscher und ein Österreicher retten drei Tuareg aus der Wüste, damit sie ihre pauschalreisenden Touristen nach Marrakesch bringen können. Die Dünen? Höher als dein Ego, brutaler als eine Steuerprüfung. Der Sonnenuntergang? Als hätte jemand die Hölle auf LSD gemalt.
Lac Iriki. Fünfzig Jahre ausgetrocknet, jetzt eine bizarre Mischung aus Wasser, Sand und einem Himmel, der so blau ist, dass er dich auslacht. Wir stehen da, und alles fühlt sich falsch an – wie ein See, der keiner ist. Wie eine Fata Morgana, die sich einen schlechten Scherz erlaubt.
Die Lektion des Erg Kingdom – Staub ist eine hinterhältige Hure
„Es sieht aus wie Arizona“, sage ich. Harald lacht. „Arizona nach einem Atomtest.“
Dann merken wir es. Innen sieht’s aus wie ein Sandkasten, in dem der Teufel gespielt hat. Warum? Weil ich Idiot vergessen habe, die verdammte Heckklappe zu schließen. Zwanzig Kilometer feinster Sahara-Staub haben meine Kabine in ein Sandgrab verwandelt. Lektion für alle Overlander: MACH DIE VERDAMMTE KLAPPE ZU. (Und für Harald: Mach dein Dachzelt zu BEVOR du losfährst)
Assa – Dromedar gegrillt, Musik gespielt, Leben gefühlt
Assa. Die Art von Ort, wo du entweder deine Seele findest oder einen Durchfall, der dich für die nächsten drei Tage demütigt. Gegrilltes Dromedar – zart wie Knorpel, mit einer rauchigen Note von Leder, die nach Abenteuer schmeckt. Lagerfeuer, Musik, Schatten tanzen über den Sand.
Und dann war da noch Harald. Der arme Hund hat zu viel von dem Dromedar gefressen und muss jetzt alle zwanzig Minuten raus, um in der Wüste einen Busch zu suchen. Eine epische Suche nach Privatsphäre in einer Landschaft, die nichts verzeiht. „Das ist der Letzte!“, ruft er jedes Mal über Funk – zwanzig Minuten später wiederholt sich das Drama. Marokko fordert seinen Tribut. Verdauungsprobleme inklusive.
Westsahara – Die Reise an die Grenze des Wahnsinns
Ksar Tafnidilt, Boujdour, ad-Dakhla. Endlose Straßen, endlose Hitze, brüllender Sandsturm endlose Gedanken. In Dakhla treiben sich Kitesurfer rum, ihre Schirme tanzen am Himmel. Ich sitze in einer Kaschemme und frage mich, warum ich eigentlich hier bin. - Aber nicht mehr lange denn der Sandsturm bläst dir das letzte bisschen Gehirn raus.
Am Abend gesellt sich Henriette mit Ihrer "Dackelgarage" neben mir ein. Die Tante aus Dänemark ist mit ihrer Honda und einem Rucksack auf dem Weg nach Dakar. Mal wieder nette Gespräche während 5 wilde Strandhunde und ein obdachloser Sahraui neben uns im Staub übernachten.
Dann weiter in die Militärzone, Es Smara – Al-Mahbass – Zag - Assa. Illegale Fahrt am marokkanischen Berm entlang. Die Polizei hatte gesagt, das das geht. Ging doch nicht so easy.
Dann mit zwei Sahauris als lebens-rettende "Guides", mit genau drei Worten auf Französisch: „attention, tres dangereus … buff - buff -buff.“ über den Wall und mit 70 km/h durch den Minengürtel.
Der Marokkanische Berm – 2700 Kilometer Sandwall, gesäumt von 10 Millionen Landminen. Willkommen im am stärksten verminten Gebiet der Welt. MINURSO, die UN-Mission, versucht seit Jahren, hier irgendwie Frieden reinzubringen – mit überschaubarem Erfolg. Die Sahrauis? Ein Volk zwischen Mauern, Gewehren und gebrochenen Versprechen. Ihre Heimat von Marokko besetzt, ihre Träume in algerischen Flüchtlingslagern begraben. Und ich fahre hier durch, starre auf einen Panzer und frage mich, wie viel Wahnsinn man eigentlich in einer Reise sammeln kann.
Zurück nach Tanger – Die große Erkenntnis
Nach 53 Tagen und ungezählten Kilometern zurück auf die Fähre nach Algeciras. Das erste Bier an Deck. Ich bin dreckig, durchgerüttelt, und habe keinen Bock mehr auf Staub, Hitze oder bettelnde Kinder, die dir eine Wüste voller Träume verkaufen wollen.Aber verdammt, das war die intensivste und beste Reise meines Lebens.
Und jetzt? Noch ein paar Optimierungen am Fahrzeug, wochenlanges warten beim Österreichischen TÜV zur Typisierung meiner Umbauten und dann ab auf den großen Trip: Pamir, Zentralasien, Georgien, Russland, Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan und vielleicht noch Mongolei.
Die Welt ruft, und ich bin noch lange nicht fertig.
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