Die Sonne brannte wie der Atem eines grantigen Drachen, und dort, mitten in der weiten Leere der Wüste, trafen wir ihn: "Fetter Willy". So nannten Harald und ich diese pralle, leuchtende Raupe, die uns überall begegnete. Nein, keine Märchenfigur, kein Kinderbuchheld, sondern ein Biest in Neonfarben, das wirkte, als hätte die Natur es aus einer Laune heraus designt. Willy lag da im Wüstensand der Sahara, als hätte er gerade seinen dritten Mojito weggezogen, und sah uns an, als wollte er sagen: "Na, ihr Pfeifen? Schon mal was von Klasse gehört?"
Diese Raupe, mein Freund, war kein kleines,
unscheinbares Ding. Er war die Marilyn Monroe unter den Wüstenraupen. Ein bisschen dick vielleicht, aber verdammt selbstbewusst. Seine Farben waren ein technicoloriger Mittelfinger an die tristen Töne der Wüste. Alles an ihm schrie: „Friss mich nicht, sonst kotzt du Regenbögen, Kumpel!“Wir begegneten Willy überall – in den Schatten der Akazienbäume, unter Felsen, manchmal einfach mitten im Sand, als wolle er das Universum herausfordern. Er fraß mit einer Hingabe, die an einen All-you-can-eat-Brunch erinnerte, während wir uns fragten, wie verdammt viel ein so kleiner Körper eigentlich in sich reinstopfen konnte.
Und dann kam die Verwandlung.
Eines Nachts, als die Sterne über der Wüste glitzerten wie Disco-Kugeln, verschwand Willy. Weg. Puff. Niemand wusste, wohin. Wir machten noch Witze, dass er wohl bei einem Raupen-Bootcamp sei, um seinen Speck loszuwerden. Aber tief drinnen wussten wir es: Die Show begann.
Er hatte sich verpuppt. Eingemummelt in einen Kokon, so unscheinbar wie ein vergessener Snack in der Tiefkühltruhe. Wochen vergingen, und wir hatten ihn fast vergessen, bis eines Nachts etwas aus dem Nichts auftauchte.
Ein Falter.
Aber nicht irgendein Falter. Es war Willy – oder besser gesagt, das, was von ihm übrig war. Die einstige Marilyn Monroe der Wüste hatte sich in einen dieser generischen Nachtfalter verwandelt, die man bei einem billigen Motelzimmer um die Glühbirne flattern sieht. Grau. Unscheinbar. Das Insekt gewordene Äquivalent zu lauwarmer Dosensuppe.
Das Drama war herzzerreißend. Harald und ich sahen ihm nach, wie er ins Dunkel flatterte, als wollte er mit seiner neuen, tragischen Identität Frieden schließen. Es war, als hätte die Natur gesagt: „Weißt du was? Du warst zu auffällig. Zu viel. Zeit, dich in der Masse zu verstecken.“
Aber es kam noch schlimmer. Denn Willy war jetzt nicht nur irgendein hässlicher Falter – nein, er wurde auch zur nervigsten Plage meines Lebens. Jedes Mal, wenn ich abends meine Kopflampe einschaltete, knallte er mir frontal auf die Stirn, als hätte er beschlossen, mich für meine Frechheit, ihn "fett" zu nennen, abzustrafen. "BAM!" Immer wieder, mit der Eleganz eines betrunkenen Gleitschirmfliegers, während ich fluchend versuchte, ihn wegzuwedeln. Aber Willy ließ sich nicht beirren. "Du wolltest mich! Jetzt hast du mich, Kumpel!"
Manchmal, wenn ich abends in der Wüste sitze und in den Himmel schaue, frage ich mich, ob Willy vielleicht doch noch irgendwo ist. Ob er, heimlich, leuchtend bunt und frech, ein neues Kapitel schreibt – als Raupe, die sich weigert, sich vom Leben kleinkriegen zu lassen.
Und dann spüre ich wieder diesen dumpfen Aufprall auf meiner Stirn, flüstere ein genervtes „Verdammt nochmal, Willy!“, trinke einen Schluck und hebe das Glas in die Dunkelheit. „Auf dich, Fetter Willy. Du alte, verfressene Legende.“
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