Wein im Wüstensand - KSAR und Domaine de Sahari

Marokko. Du denkst an Wüste, an Datteln, an süßen Tee, der dir in der Hitze den Schweiß aus den Poren treibt. Du denkst an flirrende Luft über heißem Asphalt, an Minzblätter, die im Glas schwimmen, an Ziegen, die in Bäume klettern. Aber Wein? Nein. Daran denkst du nicht.

Ich auch nicht. Bis wir keinen mehr hatten, einen Hilferuf nach dem Anderen bei Facebook gestartet hatten und wir ihn dann gefunden haben.

Hinterzimmer (genannt Cave) eines Supermarktes in Quarzazate. Neonlicht, das alles in einen kranken, gelblichen Schein taucht. Ein Kühlschrank summt leise. Regale voller Konserven, Reis, Harissa in Tuben. Und ganz hinten, hinter ein paar staubigen Kekspackungen, die dunklen Flaschen. Regale voll. Keine großen Marken, kein Schnickschnack, nur eine dünne Staubschicht als Beweis, dass diese Flaschen hier nicht für jeden gedacht sind. Der Typ an der Kasse sagt nichts, zieht nur wortlos den Betrag über sein klappriges System, und schon stehen wir wieder draußen, mit 6 Flaschen marokkanischem Rotwein unter dem Arm, wie zwei Teenager, die heimlich eine Flasche Fusel aus dem Laden geschmuggelt haben.

Ein paar Stunden später. - Hochplateau bei Zagora, irgendwo zwischen Himmel und Stein. Der Wind ist trocken, rau, weht den Wüstensand über das Lagerfeuer. Auf dem Rost brutzelt Dromedar – zäh wie Leder, aber mit genug Gewürzen und Hunger richtet Harald es und alles wird gut.

Wir sitzen da, ich und Harald, (ich weiß, der Esel nennt sich immer zuerst) zwei alte Suffköpfe auf der Flucht vor der Zivilisation, mit staubigen Stiefeln, verbrannten Nacken und einer Flasche, die es offiziell nicht geben sollte.

Ich schenke ein. 

Dunkelrot, fast schwarz, wie Blut, das zu lange in der Sonne gelegen hat. Schwer. Dicht. Und als ich den ersten Schluck nehme, weiß ich, dass ich mich geirrt habe.

Dieser Wein ist nicht irgendein Zufallsfund aus der Wüste. Er hat Geschichte.

Die Franzosen haben ihn mitgebracht, vor über hundert Jahren, als sie hier ihre Hände im Spiel hatten. Sie pflanzten Reben, brachten Wissen, Fässer, eine Vorliebe für kräftige Rotweine. Dann kam die Unabhängigkeit, und vieles davon verschwand. Aber nicht alles.

Fünfzigtausend Hektar. So viel ist geblieben.


Carignan, Cinsault, Grenache – alte Bekannte, die sich hier an den Hängen des Atlas-Gebirges festkrallen, ihre Wurzeln tief in den trockenen Boden graben, durch Tröpfchenbewässerung gerade so viel Wasser bekommen, dass sie nicht sterben, aber doch genug leiden, um gute Frucht zu tragen. Dazu neuerdings auch Cabernet Sauvignon, Chardonnay, Merlot, Syrah – die üblichen Verdächtigen, internationale Spieler in einem Spiel, das schon lange läuft.

Ich nehme noch einen Schluck.

Der Wein ist stark, voll, aber nicht bissig. Kein Gezeter von Säure, kein Gezänk im Gaumen. Er legt sich hin wie eine Katze auf einer warmen Motorhaube, lässt sich nieder, seufzt zufrieden.

Harald nimmt einen großen Schluck, grinst, kaut auf einem Stück Dromedar herum. „Hätte nie gedacht, dass die hier sowas hinkriegen.“ Ich nicke.

Draußen breitet sich die Wüste aus, endlos, zeitlos. Der Wind trägt Stimmen aus dem Nichts heran. Vielleicht sind es die Geister der alten Karawanen, die hier entlangzogen, beladen mit Salz, Seide und Geheimnissen. Vielleicht ist es nur die Leere, die sich selbst antwortet.

Und wir? Wir sitzen da, alte Suffköpfe mit einer Flasche verbotenen Weins, kauend auf zähem Fleisch, lachend über die Absurdität der Welt, und für einen Moment ist alles genau so, wie es sein soll.


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