Die Schattenseiten des Overlanding: Alltag eines fahrenden Business Nomaden

Die Bilder auf Instagram zeigen staubige Pisten, einsame Bergseen und Sonnenuntergänge über der Wüste. Doch hinter der Romantik des fahrenden Lebens - modern Overlander genannt - verbirgt sich ein Alltag voller Herausforderungen – klein, lästig, manchmal zermürbend. Overlanding ist kein Dauerurlaub, es ist ein Lebensstil zwischen Freiheit und Improvisation. Und der ist oft alles andere als bequem. Zusätzlich bergen die Mitreise eines Hundes noch viele weitere Herausforderungen

1. Die ewige Suche nach einem Schlafplatz

Hardangervidda kann auch im Sommer einsam sein.
Wer täglich unterwegs ist, schläft nie zweimal am gleichen Ort. Was aufregend klingt, ist in der Realität oft nervenzehrend. Die Suche nach einem sicheren, ebenen, ruhigen und legalen Übernachtungsplatz beginnt spätestens am Nachmittag – am besten noch mit Tageslicht. Doch nicht überall ist Wildcampen erlaubt oder sicher. In dicht besiedelten Gegenden bleibt oft nur ein Parkplatz oder eine Tankstelle oder einem Supermarkt denn der nicht gesperrt ist, vor dem Resaurant in dem Du gegessen hast oder wie mir 3x passiert, vor der Polizeistation. In entlegenen Regionen hingegen kann es passieren, dass man stundenlang fährt, ohne etwas Passendes zu finden. Gefahren bestehen oft durch herabfallendes Geröll oder Erdrutsche in Bergregionen, Windbruch im Wald bei starkem Wind, ansteigendes Wasser am Fluss oder auch tierische Begegnungen. Die Entscheidung: Risiko eingehen oder weiterfahren.

2. Frisches Wasser – tägliche Logistik

Toilettenhaus incl. Dusche an einer Landstrasse un Russland
Wasser ist Leben. Und für den Overlander eine permanente Baustelle. Der Tank leert sich schneller als gedacht – duschen, kochen, spülen, der Hund braucht auch was. Doch wo nachfüllen? Nicht jeder Brunnen ist trinkbar, nicht jeder Wasserhahn frei zugänglich. Wer mit Filtersystemen arbeitet, braucht Zeit und Geduld. Oft bedeutet das: stundenlange Suche nach einer Quelle, einem Friedhof, einem Bauernhof, einer hilfsbereiten Tankstelle. Luxus wie heißes Wasser? Selten.

3. Internetverbindung – digitaler Drahtseilakt

Alte Radarstation Sardinien
In einer Welt, die immer online ist, bleibt der Overlander oft offline. Ob für Arbeit, Navigation, Recherche oder einfach Kontakt zur Familie – ohne Netz geht wenig. Doch das mobile Internet ist unzuverlässig, besonders in Grenzregionen, Hochlagen oder abgelegenen Regionen wie Wüsten oder der Tundra. Und selbst wenn Netz vorhanden ist: hohe Roaming-Kosten, langsame Verbindung, Datenlimits. Wer grenzüberschreitend lebt, jongliert mit SIM-Karten, VPNs und länderspezifischen Tarifen – ein ewiges Katz-und-Maus-Spiel mit dem digitalen Zeitalter. Oder Tarifen und nicht Verfügbarkeit in ganzen Ländern von Starlink, wobei die Kombination von Starlink und Mobilfunk riesige Vorteile bringt und Lücken schliesst. 

4. Grenzübertritte – Bürokratie, Willkür und Geduld

Grenzübergang Armenien - Georgien
Wer die Welt bereist, begegnet ihr an den Schlagbäumen außerhalb des Schengen Raumes und mit Hund auch wieder innerhalb bei der Rückreise. Und dort zeigt sie sich nicht immer von ihrer freundlichsten Seite. Jeder Grenzübertritt ist ein eigenes Abenteuer: endlose Wartezeiten, unverständliche Formulare, Beamte, die ihren Tag damit verbringen, dich zu mustern oder zu schikanieren. Beim Übertritt von Georgien nach Russland habe ich 12 Stunden gebraucht und mein Freund Harand ganze 30 Stunden. Carnet de Passage, Fahrzeugregistrierung, Visa, Versicherungen – wer ein rollendes Zuhause hat, braucht ein dickes Fell und einen tiefen Atem. Und manchmal auch Schmiergeld.

5. Reparaturen und Ersatzteile – Mechanikerroulette

Der Wagen ist dein Zuhause – und wehe, er macht schlapp. Eine gebrochene Feder, ein undichter Tank oder ein Elektronikfehler mitten im Nirgendwo: Das kann Tage oder Wochen kosten. Werkstätten gibt es überall, gute selten. Kommunikation ist schwierig, Vertrauen oft eine Hoffnung. Und das passende Ersatzteil? Meistens genau in dem Land nicht zu bekommen, in dem du gerade steckst. Improvisation ist gefragt. Oder ein teurer Rücktransport. In Bulgarien hatte ich 4 volle Tage festgesteckt weil meine Antriebswelle gebrochen war. In Albanien hingegen hatte Camping Fridolin meine Bremsscheiben, Bremsbeläge und Spurstangengelenk in einem halben Tag da 2 stunden danach war ich wieder fahrbereit. Ebenso Garage Iriki in Zagora hatte mein vermurkstes OME Fahrwerk in 5 Stunden wieder dauerhaft fit gemacht.  


6. Einsamkeit und soziale Isolation

Nomadenfamilie in Nordostanatolien
So romantisch es klingt, ständig unterwegs zu sein – es ist oft einsam. Kontakte sind flüchtig, Freundschaften schwer zu pflegen. In fremden Ländern ist Sprache oft ein Hindernis, und echte Gespräche bleiben rar. Die Stille ist schön, aber sie kann auch manchmal schwer werden. Besonders dann, wenn man krank ist, sich verloren fühlt oder einfach mal jemanden zum Reden braucht. Manchmal sehnt man sich nach dem Banalen: einem Stammlokal, einem Sofa, einem Gespräch ohne Landkarte.

Man hat natürlich auch schöne Momente wie bei dieser Nomadenfamilie in Ostanatolien auf einer einsamen Hochebene die uns mit einem üppigen Abendessen und Tee versorgt haben oder in der Garnisonsstadt einer russischen Sperrzone in der uns die Bevölkerung vor dem Polizeipräsidium versorgt hatte.

Fazit:

Sperrgebiet Mosdok Nordossetien-Alanien, Russland

Overlanding ist mehr als Abenteuer. Es ist Alltag, Arbeit, Anpassung. Ein Leben mit weniger Komfort, dafür mehr Wirklichkeit. Und genau das macht es so besonders. Wer sich diesem Weg verschreibt, muss nicht nur den Horizont lieben, sondern auch die Pannen, die Bürokratie, die Unsicherheit. 
Denn nur wer das Leben mit all seinen Ecken und Kanten akzeptiert, wird die Freiheit wirklich spüren – auf den schönsten, wie auch den schwierigsten Kilometern.



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