Typisierung, Warten auf Papiere und Sonne und Meer schon im Gehirn bei Castor

Also gut, eine Woche noch. Eine verdammte Woche. Bis zum Meer, bis zur Freiheit, bis zur Sonne, die meine noch wachsenden Knochen durchwärmt, während der Wind nach Salz und Fisch riecht.

Mein Schwanz tut weh. Muskelkater vom Wedeln. Nicht, was ihr denkt, ihr schmutzigen Geister, sondern reine, ungefilterte, ungebändigte Vorfreude. Mein erstes Mal am Meer! Ich hab keine Ahnung, was mich erwartet, aber es kann nur besser sein als diese Woche im Garten. Österreichischer Boden ist ja ganz nett, aber nach sechs Monaten hier hab ich das Gefühl, ich kenne jeden Grashalm persönlich.

Gassirunden, Feldmäuse aufspüren – gut, aber auch nicht mehr der große Kick. Und dann ist da noch mein Hase. Oder besser gesagt: war. Eines dieser anderen Raubtiere war schneller als ich. Der alte Jürgen sagt, so ist die Natur. Mag sein. Aber trotzdem: Mein Hase ist weg, und jetzt hab ich eine Woche lang nichts zu jagen außer meinem eigenen Schatten.

Aber mein Alter bemüht sich. Er sieht mich wachsen, er sieht meine Pranken, und er weiß, dass das hier erst der Anfang ist. "Bei den Pranken, die er jetzt schon hat, wird er groß, sehr groß." Das hat die Tierärztin gesagt. Und Jürgen hat genickt, sich übers Kinn gestrichen und tief durchgeatmet, als würde er sich schon ausrechnen, wie viele Säcke Futter er demnächst nach Hause schleppen muss. Ja, mein Freund, mach dich auf was gefasst.


Immerhin werkelt er an meinem Beifahrersitz herum, schiebt, polstert, misst – damit ich mehr Platz habe. Noch geht es, aber wer weiß, vielleicht muss er bald ein größeres Auto kaufen, weil ich nicht mehr reinpasse. Vielleicht auch eins mit Chauffeur, wäre ja nur angemessen.

Noch eine Woche. Ich kann das Salz schon schmecken. Ich kann die Wellen schon sehen. Ich kann fühlen, wie mein Fell im Wind flattert. Ich bin bereit. Also los jetzt, Jürgen. Die verdammte Zeit vergeht nicht von selbst.

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