Manche sagen ja und sie haben sicher ein bisschen recht damit. Darüber habe ich heute nachgedacht.
Nicht „ein bisschen unruhig“, nicht „leicht getrieben“. Ich bin ein Hund ohne Zaun, ein Motor ohne Standgas, ein Mann, der an roten Ampeln schon das Gas sucht, obwohl der Fuß weiß, dass er warten müsste.
Andere stellen sich irgendwo hin.
Eine Woche dieselbe Aussicht.
Dasselbe Meer.
Dasselbe Tal.
Dasselbe verdammte Restaurant mit denselben Kellnern und derselben superscherzhaften Frage: „Schon wieder hier?“ Ich könnte kotzen bei dem Gedanken wenn ich es machen müsste.
Zwei Tage an einem Ort sind für mich wie zwei Wochen in Einzelhaft.
Am zweiten Mittag kribbelt es mir im Bein,
am Nachmittag im Kopf, am Abend hätte ich wahrscheinlich begonnen, mit Steinen zu reden oder mit mir selbst zu verhandeln wäre ich nicht schon nachmittags weg.
Also fahre ich.
Manchmal nur fünfzig Kilometer.
Manchmal hundert.
Manchmal ohne Ziel.
Aber immer weg.
Ich kann an einem Traumstrand stehen,
Sonnenuntergang in Premiumqualität,
Meer wie aus einer Postkarte, und während andere Fotos machen und „Wow“ sagen, denke ich schon darüber nach, wo die Straße da hinten wohl hinführt.
Es ist nicht, dass es mir nicht gefällt. Es ist, dass Stillstand für mich kein Urlaub ist, sondern ein Verhör.
Mein Leben war immer in Bewegung.
Jahrzehnte.
Termine.
Kunden.
Autobahnen.
Flughäfen.
Hotellobbys um sechs Uhr morgens.
PowerPoint in fremden Städten.
Immer unterwegs,
immer Leistung,
immer das Gefühl: Wenn du stillstehst, wirst du überholt —
vom Mitbewerbern,
vom Markt,
von der verdammten Zeit.
Geschwindigkeit war mein Zuhause.
Veränderung mein gewohntes Wohnzimmer.
Stillstand bedeutete: Du bist raus. Meine Wahlsprüche waren:
"Stillstand ist Rückschritt." und “Nur tote Fische Schwimmen mit dem Strom”.
Und jetzt?
Ruhestand. Geschäftsaufgabe.
Das große Versprechen.
Endlich nichts müssen.
Endlich sitzen.
Schauen.
Atmen.
Keine Termine kein Stress. Vergiss es. Ich war ein “Business Nomade” und heute bin ich nur noch Nomade.
Ich habe mir jahrzehntelang antrainiert, dass Bewegung Sicherheit ist.
Dass Stillstand Gefahr bedeutet.
Dass nur ein rollendes Leben kein schlechtes Leben ist.
Man schaltet so etwas nicht aus wie das Licht im Hotelbad.
Man nimmt das nicht ab wie eine Uniform.
Das sitzt tiefer.
Das ist im Muskelgedächtnis der Seele.
Ich fahre nicht, weil ich Orte suche.
Ich fahre, weil Bewegung mich beruhigt.
Weil der Kilometerzähler mir sagt: Du lebst noch.
Weil die Straße mir mehr bietet als jeder Schaukelstuhl.
Wenn ich stehe,
kommen die Gespenster.
Die alten Bilder.
Die Fragen.
Das „Hätte ich“.
Das „Was wäre wenn“.
Die Menschen, die fehlen.
Die Jahre, die durch die Finger gelaufen sind wie Sand.
Also fahre ich weiter.
Nicht vor der Welt davon,
sondern vor dem verdammten Spiegel.
Manchmal glaube ich, ich habe Angst davor, wirklich anzukommen.
Denn ankommen heißt: zuhören.
Ankommen heißt: fühlen.
Ankommen heißt: nicht mehr flüchten dürfen.
Aber ich brauche immer ein Ziel. Ist das ziel erreicht, wird mir langweilig und ich brauche ein neues Ziel. So wie jahrzehntelang in meinem Geschäft.
Und vielleicht bin ich gar nicht rastlos.
Vielleicht bin ich nur ein Mann,
der gelernt hat, dass Bewegung weniger wehtut als Erinnerung.
Also rolle ich weiter.
Tag für Tag.
Kilometer für Kilometer.
Und vielleicht…
irgendwann…
bleibe ich stehen.
Nicht, weil ich muss.
Sondern weil ich es aushalte.




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