Österreich, Italien, Frankreich, Spanien, Marokko – und jetzt stehen wir wie zwei alte Straßenköter kurz vor der Westsahara, die Nase im Wind, der Blick irgendwo zwischen Hoffnung und Staub.
Heute bläst er wie ein Verräter.
Wind, der dir den Schlaf aus dem Schädel zieht und den Sand in jede Ritze deiner Existenz drückt.
Aber 20 bis 25 Grad – Afrika ist gnädig zu uns.
Zumindest klimatisch.
Der Rest ist wie immer: roh, ehrlich, ungekämmt.
Wir haben Marokko nicht gelesen wie ein Reiseführer. Wir haben es gefressen.
Staubig. Ungeschönt.
Wir sind den Trans-Morocco Trail gefahren. www.transmoroccotrail.org
Nicht brav von vorne bis hinten. Aber gute zweitausend Kilometer davon, mit allem, was dazugehört:
Steinpisten wie Folterwerkzeuge,
Wadis wie Lügen, Sand, der dich auslacht, wenn du denkst, du hast gewonnen.
Wir sind durch Länder gefallen
wie durch zu große Hemden.
Keins hat richtig gepasst, aber jedes hat uns ein anderes Gesicht gezeigt.
Italien roch nach Espresso und Abschieden,
Frankreich nach Gleichgültigkeit,
Spanien nach Salz, Rost und zu vielen Versprechen.
Und Marokko…
Marokko ist ein Schlag ins Maul und eine Umarmung zugleich.
Wir standen an Stränden, so weiß,
dass selbst die Toten leuchteten.
Alle hundert Meter ein Delfin,
als hätten sie sie für Touristen hingelegt – „Hier, guck, Afrika kann auch traurig.“
Der Alte hat sie begraben.
Ohne Foto.
Man muss nicht alles besitzen,
nur weil man es gesehen hat.
Wir haben uns durch Steinpisten geprügelt, Steine so groß wie Kinderköpfe, Staub in den Zähnen,
Sand in der Seele, und irgendwo dazwischen eine Karre, die kämpft wie wir.
Lager kaputt.
Ersatzteile falsch.
Finger schwarz.
Geduld am Anschlag.
Ich habe Expeditionsmobile gesehen, Häuser auf Rädern,
in denen das Leben innen stirbt,
während draußen Afrika schreit.
Ich weiß jetzt:
Ich will kein Wohnzimmer auf vier Achsen.
Ich will Dreck unter den Nägeln
und den Himmel als Decke.
Und jetzt kommt das Nächste.
Mauretanien.
Nicht als Abenteuer.
Sondern als Wahrheit.
Eine Wüste,
so still, dass du deine eigenen Fehler atmen hörst.
Weiten, in denen du verschwindest, ohne dass dich jemand vermisst.
Und Armut.
Keine Instagram-Armut.
Keine romantische Hütten-Scheiße.
Echte.
Kinder mit Augen wie offene Fragen.
Männer, die aussehen, als hätte sie das Leben im Stehen geprügelt.
Frauen, die nicht hoffen, sondern funktionieren.
Das kommt.
Mit voller Wucht.
In den nächsten Wochen.
In den nächsten Monaten.
Ich schlafe schlecht seit zwei Jahren. Manchmal gar nicht.
Manchmal mit der Erinnerung als Bleidecke.
Aber jeden Morgen fahre ich los,
weil Stillstand gefährlicher ist als jede Piste.
31 Tage.
5.700 Kilometer.
Weit über 3.000 davon auf dem Rücken Marokkos.
Und jetzt Afrika in seiner nacktesten Form vor uns.
Die Westsahara liegt vor uns
wie ein offenes Kapitel ohne Seitenzahlen.
Der Wind sagt nichts, aber er lacht.
Und ich auch.
Nicht weil alles gut ist.
Sondern weil ich noch da bin. Und mein treuer Reisebegleiter Castor auch.
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