In meinem Artikel 2017 hatte ich meine Eindrücke und emotionalen Gedanken in einem Video wiedergegeben. Damit starte ich nun den Teil 2 um Euch die Emotionen nördlich des Polarkreises zu vermitteln.
Tag 4. Noch in der frühen Dämmerung sehe ich, dass das Loch im Eis zu klein für mich ist um schwimmen zu gehen. So machen wir uns auf, weiter Richtung Norden ohne den Sprungturm zu testen.
Wenn wir aber weiter so rumtrödeln und auf jeden noch so kleinen Weg abzweigen kommen wir erst Ostern in Lappland an. Der Falschparker Marcus und die darauffolgende Bergeaktion hatten gestern etwas Zeit gekostet, war aber weitestgehend lustig. Lustig jedoch nur weil wir mit 2 Autos unterwegs waren, denn ganz alleine kann es bei diesen Minus-Temperaturen auch schnell unlustig werden, wie ich hier schon erfahren durfte.
Während der Mittagspause beschließen wir als Ziel für
heute, den Polarkreis zu definieren. Und wieder kommt eisiger Wind auf und es beginnt schon wieder zu schneien. Also ab auf die E45 auf der man immer gut Kilometer
machen kann, auch wenn die E45 in Deutschland eine Autobahn hier oben nur 2 schmale Spuren hat. So richtig hell wird es jetzt aber auch hier nicht mehr.
100km vor dem Nördlichen Polarkreis beginnt es bei -8 Grad plötzlich zu regnen und der zähflüssige Regen gefriert sofort auf der Windschutzscheibe. Auch der schwedische Scheibenreiniger, der sogar bis -80 Grad definiert ist, nutzt jetzt auch nicht mehr viel. Alle 5 km können wir anhalten und kratzen. Wir sind nun glücklich über die Scheibenheizung die unterstützend wirkt und besonders auch die Lenkradheizung, wenn wir vom freikratzen der Scheinwerfer wieder ins Auto steigen.
Die Scheinwerfer beim New Defender sind übrigens eine völlige Fehlkonstruktion, denn Eis und Schnee fangen sich dort ein und setzen sich in den Ecken als Eisbrocken fest.
Den Polarkreis passieren wir bei 66°33'04.3"N 19°45'51.6"E um 15:47:43 Uhr kurz vor Jokkmokk, der "heimlichen Hauptstadt" der Sami, wieder bei dichtem Schneefall. Wir beschließen hinter Jokkmokk an einem See zu übernachten. Vorher gibt es aber noch im Opern Restaurant (Restaurang Opera) mit seinen abgewetzten Kunstledersesseln im Ortszentrum von Jokkmokk eine Elchpizza, die offenbar in ganz Schweden gleich beschissen schmeckt.
Vielleicht
liegt das daran das wir andere Geschmacksinne haben und in der Regel ja auch
keinen Surströmming mögen.
Surströmming ist übrigens eine schwedische Delikatesse, die aus fermentiertem Hering hergestellt wird. Der Fisch wird in Dosen gepresst und mit Salz und Pfeffer gewürzt. Surströmming hat einen sehr starken, eigenartigen Geruch und Geschmack, der nicht jedermanns Sache ist.
Dennoch
fahren wir am 31.12. schon um 09:00 Uhr weiter weil uns der allmorgentliche
Schneepflug mit seinem lauten Kratzen in der Stille der Polarnacht weckt. Schließlich sind wir jetzt bereits
nördlich des Polarkreises.
Wo werden wir Silvester verbringen?
Da ich gehört habe, das Nikkaluokta eines der kältesten Dörfer Schwedens sein soll, schlage ich vor die 70 km von Kiruna zu investieren, auch wenn es dort nicht mehr weiter geht.
In der Hoffnung es gibt ein offenes Restaurant, da Nikkaluokta ja ein beliebter Ausgangspunkt für Wanderer und Skifahrer des Sarek-Nationalparks und Einstiegspunkt in den berühmten Fernwanderweg “Kungsleden”, dem Königsweg ist. Es ist zwar bekannt für seine atemberaubende Landschaft und die Ausblicke auf die Berge aber das scheint dort an Silvester niemanden zu interessieren.
Außer uns und
unseren gefrorenen Nasen will heute wohl niemand in die Wildnis. Alles ist geschlossen!
Die
70 Kilometer über die zugewehte Straße zurück nach Kiruna ziehen sich jetzt wie
Kaugummi. Und wenn mich eines nervt, dann sind es unnütze Leerkilometer in
völliger Dunkelheit bei eisglatten Holperstraßen. Aber wir müssen auch noch tanken, denn noch haben wir keinen blassen Schimmer wohin uns die kommenden Tage noch führen.
Kiruna, ist mit seinen Erzbergwerken aus meiner Sicht die hässlichste Stadt Schwedens. Aber wir kommen zum Auftanken, Pizza essen im einzig geöffneten Imbiss an Silvester und wollen nur noch weiter Richtung Abisko.
Ich kenne dort oberhalb der Abisko Mountain Lodge einen wunderschönen Lagerplatz mit Blick über den kleinen Ort und den zugefrorenen See.
Schon leicht genervt, da müde und etwas ausgekühlt kommen wir an unserem Traumplatz an. Der Himmel reißt blitzartig auf und blitzartig auch wieder zu. Das bedeutet in Skandinavien, es pfeift wie Hund und somit keine gute Idee auf diesem Präsentierteller zu übernachten. Wir würden wohl erfrieren. Und wieder reicht ein gegenseitiger Blick in unsere Augen und die Entscheidung steht fest.
Um
22:00 Uhr biegen wir kurz vor dem Skigebiet Björkliden ab und freuen uns, das
wir ohne weitere Bergeaktion parken können. Schluss für Heute.
Auch wenn es in dieser Nacht nur -20 grad hat, ist es brutal kalt und wir verzichten wieder auf unser Abendabschlussbier, das Norrlands Guld. Der Wind pfeift auch hier unten ganz ordentlich. Wir sind hier schließlich in den Bergen und der Nuolja mit seiner bekannten Aurora Sky Station ist 1170 m hoch.
Das Problem dabei ist der Windchill Faktor, also die „Gefühlte Temperatur“ unter Berücksichtigung der Witterungsbedingungen wie Lufttemperatur und Windgeschwindigkeit die kombiniert werden. Da können einem -20 Grad auch mal schnell wie -40 oder -50 Grad vorkommen.
Silvester 2021/2022 verschlafen wir im Wintersturm und es schneit wieder einmal dauerhaft.
01. Januar, Tag 6. Die Standheizung meines NEW Defender hat am Morgen schon wieder nicht funktioniert, da es wohl für die Batterie zu kalt war. Es ist keine Luftstandheizung sondern soll den Motor und den Innenraum zum Aufstehen etwas anheizen. Aber auch das kann sie nicht. Also Schlafsack auf und schnell anziehen. Darin habe ich mittlerweile schon Übung und ich bin froh, das wir nicht auf der Windplatte oberhalb von Abisko übernachtet haben.
Da durch die Standheizung im Wohnwagen von Heike und Marcus aber kochendes Wasser bauartbedingt immer vorhanden ist, macht Heike uns einen guten, heißen Kaffee und wir beginnen zu bequatschen wohin wir eigentlich heute und die restlichen Tage wollen.
In der Morgendämmerung besprechen wir ob wir weiter nach Norwegen oder zurück über Kiruna nach Finnland bis zur Grenze nach Russland wollen.
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, das die Beiden immer ihren Wohnwagen hinterher schleppen, gleich wohin wir fahren?
Da wir aber immer noch weder Covid Tests noch Hundeimpfung haben, denn beim Tierarzt in Abisko war gestern alles dunkel, entscheiden wir uns für Finnland. Grobes Ziel der Inari See.
E 10 zwischen Abisko und Kiruna |
E 10 zwischen Abisko und Kiruna |
Laut Fahrtenbuch starten wir nach 12 Stunden Ruhe um 09:54:50 Uhr der aufgehenden Sonne entgegen nach Osten. Entlang am Torneträsk See und der bekannten Erzbahn die von Kiruna nach Narvik verläuft, machen wir trotz spiegelglatter Fahrbahn, frischem Schnee und einem klaren Sonnenaufgang gut Kilometer.
Nebenbei bemerkt. Abisko mit seiner Aurora Sky Station ist eine der besten Beobachtungsstationen für das Polarlicht, da dort die Luft relativ trocken ist und der Himmel im Winter oft klar. Sie befindet sich auf dem Gipfel des Berges von dem aus man einen atemberaubenden Blick auf das Polarlicht hat.
Wer
einmal die Aurora Borealis, auch als Nordlicht bekannt erleben möchte, muss in
die Polarregionen des Nordens in der dunklen Jahreszeit reisen. Ausgelöst durch
Solarflares wird die Aurora Borealis (nennt man auf der Südhalbkugel Aurora
Australis) durch die Wechselwirkung von Teilchen in der Erdatmosphäre vom Sonnenwind
verursacht. Wenn diese Teilchen auf die Magnetfelder der Atmosphäre treffen,
werden sie von den Atomen und Molekülen angezogen und verursachen eine Emission
von Licht, das dann in den verschiedensten Farben, von grün und gelb bis hin zu
rot und violett erscheint, je nachdem welche Atome angeregt werden und wie
stark die Solarflares waren. Wer das live erlebt hat wird dieses
Naturschauspiel nie vergessen.
Aber
wir sind ja bereits unterwegs, vorbei an Kiruna wo der Sonnenaufgang heute ewig dauert. In Karesuando wollen wir über die Grenze nach Finnland, denn in der sehr
dünn besiedelten Region gibt es nicht sehr viele Brücken über den Grenzfluss Konttikoste.
Angekommen wollen über die Brücke nach Finnland. Aber da steht eine freundliche aber bestimmende Blondine in blauer Uniform und macht uns klar das wir ohne aktuellen Covid Test nicht nach Finnland einreisen dürfen.
Das nächste Testcenter erklärt sie mir nett, ist in Kiruna. Also 350km entfernt
und bei den Straßenverhältnissen ca. 5-7Std eine Strecke. Ich frage sie
freundlich was denn die Einheimischen machen, wenn sie die Grenze überqueren
wollen. Sie meint, das die seit Beginn der Pandemie nicht mehr einreisen und
grinst eisig in die kalte Nacht. Ein Gespräch weiter an einem Camp
wissen wir mehr. Die Einheimischen telefonieren miteinander und tauschen sich
aus, wo gerade Kontrollen sind und wo keine sind.
Da alle beiden Restaurants auf der schwedischen Seite geschlossen sind entscheiden wir uns für die Empfehlung des Eingeborenen, denn 100km weiter an der nächsten Brücke bei Muonio gibt es heute keine Kontrolle.
Und siehe da, es ist 1 ½
Stunden später keine Sau an der Grenze. Kurz gebremst, links und rechts nach Uniformen
Ausschau halten und drin sind wir, in Finnland.
2021
hatte Finnland eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung von
COVID-19 einzudämmen, darunter Abriegelungen der Grenzen, Reisebeschränkungen,
Maskenpflicht und Alkoholverbot ab 17:00 Uhr. Der Unterschied zwischen Schweden
und Finnland war recht krass und kaum nachvollziehbar. Von Dänemark nach
Schweden gab es lediglich eine Kontrolle des Impfstatus, wobei entgegen aller
Informationen in Deutschland, auch der gelbe Impfpass in Papierform akzeptiert
wurde. Kaum jemand in Schweden war im Supermarkt mit einer Maske anzutreffen. Wenn,
dann waren es deutsche Touristen. In Finnland hingegen war das Tragen von
Masken überall Pflicht.
Pfeiff
auf die Corona Regeln, wir wollen jetzt Kilometer machen, da es eh stockdunkel
ist. Also geht es die „Schnellstraße“ (in Deutschland würden wir es Kreisstraße
nennen) über Kolari nach Kittilä wo wir irgendwo im Wald übernachten wollen.
Gegen
20:00 Uhr klart der Himmel auf und wir halten in einer der Parkbuchten
ca. 30 Kilometer vor Kittilä zu einer Pinkelpause für die Hunde. Gerade als ich
Heike und Marcus zurufen will, das wir aber gleich weiterfahren, stockt mir der Atem
vor Freude. Über dem Wohnwagen beginnt es in nördlicher Richtung am Himmel leicht
grünlich zu flackern. Sollten das Polarlichter sein oder verfolgt uns die
Polizei wegen illegaler Einreise?
Während ich mit ein paar ml Wasser den Schnee gelb färbe, geht es plötzlich wieder am Himmel los und beinahe wären die restlichen Tropfen vor Aufregung in die Hose gegangen. Aber ich will nichts mehr verpassen.
In der folgenden Stunde knipsen wir hunderte von Fotos von denen wir 90% sofort wieder löschen können weil wir wieder einmal nicht richtig vorbereitet sind. Ich hatte mir extra eine Anleitung zur Aurora Fotografie zuhause ausgedruckt, aber in dieser Saukälte kann und will ich kein Papier mehr lesen.
Deshalb hier einige essentiellen Tipps für das Fotografieren der Aurora Borealis (auch Nordlicht genannt): (Profis können gerne korrigieren)
- Verwenden Sie ein Stativ, um Ihre Kamera ruhig zu halten und verwackelte Bilder bei langer Belichtung zu vermeiden.
- Stellen Sie Ihre Kamera auf den manuellen Modus ein, damit Sie die volle Kontrolle über die Belichtungseinstellungen haben.
- Stellen Sie den ISO-Wert auf einen hohen Wert ein (z. B. 800 oder 1600), damit mehr Licht auf den Sensor fällt.
- Verwenden Sie ein Weitwinkelobjektiv, um das gesamte Ausmaß des Polarlichts zu erfassen.
- Stellen Sie die Blende auf einen niedrigen Wert (z. B. f/2,8 oder f/4), damit mehr Licht in das Objektiv gelangt.
- Stellen Sie die Verschlusszeit auf eine relativ lange Dauer ein (z. B. 5-30 Sekunden), damit mehr Licht den Sensor erreichen kann.
- Experimentieren Sie mit verschiedenen Einstellungen, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
- Behalten Sie das Histogramm im Auge, um sicherzustellen, dass das Bild richtig belichtet ist.
Übrigens
nicht nur mit einer professionellen Kamera sondern mit der APP ProShot (verfügbar
für Android und Apple) kann ich diese Profieinstellungen auch mit jedem
Smartphone vornehmen. Und die Ergebnisse können sich sehen lassen, wenn auch
meilenweit von einem Profifotografen entfernt. Aber es sind die Erinnerungen
die darin weiterleben.
Nach
einer Stunde ist der Spuk vorbei. Die App „Polarlicht-Vorhersage“ die ich nutze
ermuntert uns noch bis 03:30 Uhr durchzuhalten, denn dann soll es so richtig
abgehen.
Irgendwie ist uns das aber jetzt schnurzpiepe, wir nehmen noch ein Norrland Guld (übrigens geiles Bier) auf der noch lauwarmen Motorhaube und schlafen diese Nacht an der völlig leeren Landstrasse 80 ein. Stille und Dunkelheit für die nächsten Stunden. Leise beginnt es wieder zu schneien. Ich fummele noch eine Stunde an meinem Handy, poste 4 Bilder auf dem Fratzenbuch und schlafe ein, als mein Smartphone mir aus der Hand zwischen die Autositze gleitet, denn wir hatten in den 500km heute wieder so viele Eindrücke das wir sie gar nicht mehr richtig verarbeiten können.
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