TEIL 3 - Arctic Discovery – Durch die winterliche Polarnacht nach Lappland mit Wohnwagen und Schlafsack bis zur russischen Grenze

02. Januar, Tag 7 unserer arktischen Lappland Tour.



Die Nacht bei Kittlä war kurz, denn wir haben noch einiges vor uns und wir wissen, das die 200 Kilometer bis zum Inari See kein Zuckerschlecken werden. Ich weiß wovon ich spreche, denn ich bin die Strecke vor Jahren schon einmal im Januar in umgekehrter Richtung gefahren. 180 Kilometer führen uns durch völlige Einsamkeit in der winterlichen Tundra und Taiga, die wir heute durchfahren werden.

Auch wenn wir am Snow Village bei dem Dorf Kittilä vorbei gefahren sind, ist der kleine Abstecher immer eine gute Empfehlung das Eishotel und die vergängliche Kunst darin zu besichtigen. Ab dem 10 April ist das Hotel wieder Geschichte und existiert nur noch flüssig im Fluss Lainiojoki weiter.  














In Finnland ist die Tundra ein Biotoptyp, der durch niedrige Temperaturen und das Fehlen von Bäumen gekennzeichnet ist. Sie befindet sich im nördlichsten Teil des Landes, oberhalb der Baumgrenze. Die Tundra beherbergt eine Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten, die an das raue Klima angepasst sind. Sie ist ein wichtiges Ökosystem, das eine entscheidende Rolle im globalen Klimasystem spielt. In Finnland ist die Tundra auch ein wichtiges Kultur- und Erholungsgebiet für das indigene Volk der Sami und andere Finnen.

Die Taiga ist eine Art Waldökosystem, das in den nördlichen Regionen der Welt, einschließlich Finnland, zu finden ist. Sie ist gekennzeichnet durch Nadelbäume wie Kiefern, Fichten und Tannen und ein subarktisches Klima mit langen, kalten Wintern und kurzen, kühlen Sommern. In Finnland ist die Taiga auch eine wichtige Holzquelle für die eigene Nutzung der Sami.



Pokka in etwa in der Mitte unserer Tagesetappe, hält wohl einen Kälterekord mit -51,5 Grad Celsius am 28. Januar 1999Gefühlt ist es jetzt allerdings auch nicht wärmer. 

Es besteht nur aus 3 Gebäuden, einer Rentierfarm der Sami und einem Café, das leider geschlossen hat. Wir sind auch noch auf der Suche nach einem neuen Rentierfell, die es in Nord-Lappland an fast jeder Tankstelle und in jedem Shop/Cafe gibt.

Das war es an Zivilisation aber auch dort. Natürlich gibt es noch einzelne weit versprenge Rentierfarmen in den Wäldern. Man erkennt diese an einzelnen Briefkästen an der Straße. Verfolgt man aber den Abzweig des Weges mit dem Snowmobil denn geräumt ist da nichts, stellt man fest, das es bis zur nächsten Farm schon mal 30km in die Wälder gehen kann.












Die Rentierzucht ist für viele indigene Gemeinschaften in Lappland ein wichtiger Teil ihrer traditionellen Lebensweise. Rentierzüchter züchten und verwalten Rentierherden zur Gewinnung von Fleisch, Häuten, Geweihen und Milch. Die Rentierzucht ist eine nachhaltige und umweltfreundliche Form der Tierhaltung, bei der die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum frei umherstreifen können. Sie spielt auch eine wichtige Rolle für die kulturelle Identität und die Lebensweise der einheimischen Sami und anderer Gemeinschaften in Lappland.




Wer im Winter mit dem Auto unterwegs ist, dem fallen in Lappland schwarze Müllsäcke auf, die an einem Begrenzungsstab auf beiden Straßenseiten oder am Zaun befestigt sind. In diesen Gebieten ist mit besonders hoher Aufmerksamkeit zu fahren, denn hinter jeder Kurve könnte eine Rentierherde auf der Straße stehen, die meist wild kreuz und quer herumrennen.   

Ansonsten sind wir auf der gesamten Strecke auf uns alleine gestellt und es schneit beinahe den gesamten Tag? Der Großteil der Strecke ist nicht geräumt, da wir wieder einmal meinten, wir müssen die Nebenstrecke nehmen die kein geistesgegenwärtiger Sami im Winter nutzen würde wenn er nicht unbedingt muss.




Aber das Abenteuer ist für uns unbezahlbar. Allerdings wird jeder noch so kleine Fahrfehler sofort bestraft. Die Waldwege sind nach beiden Seiten hin gewölbt, sehen aber eben aus, da sie mit Schnee zugeweht sind. Und mit glattem Untergrund unter dem frischen Schnee landest  Du schneller im Graben als du schauen kannst. Also gilt für den gesamten Tag völlige Konzentration.

Aber wir haben unseren Spaß. Bei jedem Halt wenn die Hunde ihre Pinkel-pause brauchen, genießen wir diese völlige Stille bei leichtem Schneefall. Die einzelnen Schneekristalle glitzern wie Diamanten in unseren Schein-werfern. Vielleicht deshalb weil wir wussten das wir gerade an einer der größten Goldminen vorbei gekommen waren.




Bis zum Abend wollen wir zum Inarisee um dort auf einem Campingplatz zu übernachten. Wir brauchen mal wieder eine Dusche. Es ist wieder schweinekalt und der Wetterbericht verspricht für Inari um die -25 bis -28 Grad. Mit zunehmender Tendenz nach Norden wird es auch noch früher dunkel.

Seit Pokka haben wir kein Tageslicht mehr gesehen und auch dort nur kurz einen schwachen Schimmer mit der Drohne am Horizont. Nicht nur die Straße macht uns etwas zu schaffen, sondern nun hier ganz oben im Norden auch die dauerhafte Dunkelheit. Aber das ist bei mir Jammern auf hohem Niveau, denn Marcus und Heike haben hintendran auch noch ihren Wohnwagen.


Hinter Hirvassalmi, eine der Farmen die wir passieren ohne sie registriert zu haben, geht es bis Inari gefühlt nur noch bergab. Wüsste ich es nicht besser hätte ich Angst gleich am Erdmittelpunkt angekommen zu sein.

Gleich am Ortseingang liegt die „Neste Inari Juutuantörmä“ als einzige Tankstelle im gesamten Umkreis an der wir frischen Diesel und Kaffee auftanken. Als Marcus nach einem Campingplatz fragt schauen alle finnischen Snowmobilisten ungläubig aus dem Fenster auf den Eriba und schütteln den Kopf. Ich glaube Einige haben sogar gelacht.




Die Empfehlung der Jungs stellt sich schnell als Flop heraus denn der eine Campingplatz ist dunkel und ziemlich vergammelt, der Andere will von uns 245€ pro Übernachtung pro. Person haben. Wir finden, das ist etwas unverschämt für einen Campingplatz und beschließen noch ein paar Kilometer weiter nach Ivalo zu fahren. Camp Wilderness Inari ist also eine Negativempfehlung.




Bei Ivalo River Camping eine kleine Hütte für 100€ zu mieten war allerdings eine gute Entscheidung, denn auch wenn die Hütte kein Badezimmer hat, es wird doch noch kälter als vom Wetterbericht angegeben. Selbst die Hütte wird nicht mehr so richtig warm. Aber der zentrale Duschraum ist innen schön dampfig. 

Marcus unterschätzt  aber die Kälte draußen und bleibt mit seinen FlipFlops auf dem Metallgitter vor der Tür kleben. Ich glaube das festkleben mit frisch geduschten FlipFlops fällt nicht unter die Kategorie Klimaaktivist. Wir laufen frisch geduscht und hundemüde zu unseren Hütten über den Schnee, der unter Markus FlipFlops laut kreischt.

68°32'55.1"N 27°49'06.2"E




















Heute war es spannend. Aber ich kann schon etwas vorgreifen, denn morgen wird es eher grenzwertig, wenn wir uns entlang der russischen Grenze mitten durch den Wald hangeln und dabei auch noch mehrfach mit überhitztem Getriebe bei unter -20 Grad kämpfen.

3. Januar Tag 8: wir wollen zur Russischen Grenze nach Raja-Jooseppi



















Im Restaurant des Ivalo River Camping www.ivalorivercamping.com gibt es gutes Frühstück mit Bratkartoffeln und wir kommen mit Matti, dem Inhaber ins Gespräch.

Das Covid Desaster hat auch hier tiefe wirtschaftliche Wunden hinter-lassen. Normalerweise ist das River Camping Dezember bis März ausgebucht aber seit es in Finnland verboten ist nach 17:00 Uhr Alkohol auszuschenken und die Einreisebestimmungen sehr restriktiv sind, bleiben die Gäste aus Großbritannien und Italien zuhause, sagt er uns. Zu den 10-20% die noch kommen gehören wir, weil wir eben nur Kaffee zum Frühstück brauchen.

Zum Camping gehört auch die Tankstelle, die wir noch einmal nutzen um den Umsatz anzukurbeln und wer weiß schon was uns heute noch erwartet. Es ist eben eine weitflächige, dünn besiedelte Gegend, die bekannt für ihre unberührte Natur, weitgedehnte Wälder, Rentiere und ihre Polarlichter ist. Tankstellen sind in Lappland Mangelware und sie liegen oft weit voneinander entfernt manchmal bis 200km. Sie sind nie 24h besetzt und es kommt im Winter auch schon mal vor, das Kreditkarten dann nicht akzeptiert werden weil die Datenverbindung gestört ist oder die Kartenleser vereist sind. 




Es ist daher ratsam, sich vor der Reise gut zu informieren und den Tank immer rechtzeitig aufzufüllen. Ich habe mir angewöhnt an jeder Tankstelle zu tanken die auf dem Weg liegt und zusätzlich 10-20 Liter in Ersatz-kanistern mitzuführen.

Wie immer haben wir noch keinen Plan und entscheiden kurzfristig bei der Tasse Kaffee dass wir heute zur russischen Grenze in Richtung Murmansk aufbrechen wollen. Plan ist so nah als möglich bei Raja-Jooseppi am Grenzfluss Kiertämäjoki nach Süden abzuzweigen und dem Fluß auf dem kleinen Waldweg zu folgen.

Wir hören aber auf unsere innere und auf eine regionale finnische Stimme die uns sagt, dass dies keine gute Idee sei, denn der Waldweg am Fluss entlang wird im Winter nie geräumt, da dort niemand freiwillig hin will. 

Und sollten wir stecken bleiben wird auch bis zum Frühjahr wohl niemand kommen. Denn es gibt in der völlig menschenleeren Grenzregion keine Mobilfunkabdeckung. Also entscheiden wir uns einen Waldweg früher bei Ruohokangas (hört sich an wie ein Ort, ist aber NICHTS) abzubiegen und nach Süden durchzuschlagen.

68°32'55.1"N 27°49'06.2"E

















Auf dem geräumten Weg geht das so lange gut bis mir auf der Satelliten-karte ein Objekt mitten in den Wäldern auffällt, dass wie einen alter Flugplatz aussieht. Wir müssen nicht lange diskutieren und wieder entscheiden wir im Bruchteil einer Sekunde dort hinein zu fahren. Wir biegen also auf diesen schmalen Waldweg ein. 

Während ich Marcus funke „ich schau erst mal bevor Du mit Deinem Wohnwagen hinterher kommst“  wird das von Marcus ignoriert bevor ich den Satz zu ende bringen kann und ich das Wohnklo hinter mir im Spiegel sehe.
















Im folgenden Video seht Ihr eine Zusammenfassung des Tages, wobei während der wirklich kritischen Situationen niemand den Nerv hatte zu filmen. 

 

Es ist ein Traum von dem jeder Offroader träumt, in völlig unberührtem Neuschnee  durch einen Waldweg zu donnern. Das geht auch solange gut, bis Marcus mit seinem Wohnwagen an dem Berg feststeckt, an dem ich bereits alleine mit meinem Auto ohne Wohnwagen Mühe hatte. Aber umkehren ist nicht möglich.
 
Ein Weiterkommen ohne Schneeketten ist auch bei mir kaum noch machbar. Also Ketten rauf und weiter geht es. Auf der Bergkuppe erahne ich in einem abgebrochenen schwachen Funkspruch von Marcus und verstehe, das er auch hängt und jetzt alle 4 Ketten auflegt. 




Ohne Mobilfunk und ohne CB Funkverbindung kämpfe ich mich bis zu dem Tor durch, das unserer Expedition dann ein jähes Ende setzt. Dicke Stahlketten um die Holzbalken versperren uns den Weg. Jetzt heißt es solange suchen, bis ich einen Wendeplatz finde, an dem wir auch den Wohnwagen rumzerren können.




Marcus hat die 4 Ketten drauf und ist schon ein Stück weiter, so dass wir auch wieder CB-Funkverbindung haben. Er steht allerdings kurz danach schon wieder und kommt immer nur 500m weiter, bis sein Getriebe wegen Überhitzung erneut sperrt. Wir hatten nicht damit gerechnet das die Belastung für Auto mit Wohnwagen im tiefen Schnee so groß ist, das auch bei -20 Grad alle 500m das Getriebe überhitzt und streikt.

Langsam aber sicher steigt das Adrenalin im Körper, denn es ist nicht nur kalt, sondern wir haben keinerlei Mobilfunk Verbindung, die Dämmerung beginnt und wir sind am Arsch der Welt in den Wäldern nahe der Grenze zu Russland. Hier kommt bis zur Schneeschmelze niemand vorbei.




Wir wenden den Wohnwagen im Tiefschnee und kämpfen uns also von Getriebeüberhitzung zu Getriebeüberhitzung wieder zurück zum geräumten Weg. Die Anfahrt zu dem vermeintlichen Militärflugplatz über den Waldweg war also eine Nullnummer mit vielen Erfahrungen und tollen Fotos. 

Wir nehmen nun den Umweg über die geräumte Straße in Kauf, denn immer noch sind wir auf den „Flugplatz“ neugierig. Eine knappe Stunde fahren wir der Dämmerung entgegen um dann vor dem verschlossenen Tor der „White Hell“ zu stehen. Es war also kein verlassener Flugplatz sondern das Testgelände von Nokian Tyres, die dort seit Jahren ihre Reifen testen. Ich klingele, aber niemand öffnet uns. 

Definitiv geht aber der Tag in die Highlights unserer Reise ein. Wir tanken noch einmal bei Rosneft ohne zu wissen was in kyrillisch auf dem Schild steht und knallen dann noch 300km bis Rovaniemi zum Weihnachtsmann durch.
 



Nokian Tyres ist übrigens ein finnischer Reifenhersteller, der sich auf Winterreifen und Offroad Reifen spezialisiert hat. Eines der bekanntesten Testzentren von Nokian Tyres ist das White Hell Testzentrum in Ivalo, Lappland, das wir per Zufall gefunden haben, 

Es ist eine der härtesten Testumgebungen für Reifen weltweit und wird im Winter bei Temperaturen bis zu -40°C genutzt, um die Leistung von Reifen unter extremen Bedingungen zu testen. Interessant ist zu erwähnen das ich seit meiner ersten Wintertour zum Nordkap 2017 Nokian Hakkapeliitta R3 SUV Winterreifen fahre und davon begeistert bin. Offenbar gibt es den Reifen seit 2023 nicht mehr im Programm und umso mehr bin ich froh, noch einen Satz zu besitzen. 

 

Wir haben Rovaniemi schnell hinter uns gelassen. Rovaniemi ist die nördlichste Stadt Finnlands, bekannt als das offizielle Weihnachtsmann-dorf Finnlands und als Tor zum Polarkreis. Das Santa Claus Office ist allerdings mit seinen Hotels und Restaurants aus meiner Sicht eher so eine Art Disneyland im Eis, auf das man gerne als Naturliebhaber verzichten kann. 
 
So kämpfen wir uns noch bis zu einem anderen Parkplatz am Polarkreis durch. Ich bin ja immer so schlau und kenne viele Plätze von meiner letzten Tour, die ich dann wieder vorschlage auch wenn es uns mehr Zeit kostet. Am Ende wäre es eigentlich völlig egal wo wir übernachten, denn es schneit wieder wie verrückt und ist dunkel. Aber ich habe eine gute Erinnerung an das romantische Plumpsklo oder eine gut geheizte Toilette. Still ist es überall denn der rieselnde Dauerschneefall dämpft alle Geräusche. 



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