Armenien – Staub, Stein und Wein

Armenien. Verdammt, was für ein Land. Ich hatte ja einiges erwartet – kahle Berge, ein paar alte Steine, vielleicht ein Glas schlechter Schnaps am Straßenrand. Aber was ich bekommen habe, war ein Schlag mitten in die Fresse der Erwartungen.



Es waren nur 2 Wochen aber mit der Intensität von 2 Monaten.

Schon bei der Einfahrt über die Grenze wurde klar: Das hier ist kein zweites Georgien. Es ist besser. Keine herumlungernden Plastiktüten, kein Theater. Stattdessen: Stille. Weite. Und Menschen, die dir in die Augen schauen, als wollten sie dir nichts verkaufen, sondern einfach nur wissen, wie’s dir geht. Unglaublich, aber wahr.

Die Straßen waren manchmal nichts weiter als Geröll und Hoffnung, aber sie führten mich an Orte, die einem den Atem rauben. Der Selim-Pass gleich wie der Puschkin Pass zum Beispiel – du stehst oben, siehst hinunter in dieses gottverlassene Tal, und auf einmal spürst du wieder, warum du das alles machst. Warum du dir den Staub in die Lunge ziehst, die Knochen über Pisten holperst, das Tier in dir auf Reisen schickst. Weil es genau diese Momente sind.



Die alten Klöster, wie zufällig hingeworfen in die Landschaft, schienen mehr über das Leben zu wissen als so manche Bibliothek. Chor Virap, Noravank – heilige Steine, die seit Jahrhunderten dem Wind trotzen. Und dann die Menschen. Verdammte Axt, so viel Freundlichkeit habe ich selten erlebt. Keine aufgesetzte Freundlichkeit wie bei den georgischen Touristenfängern, sondern echte Wärme. Die Art, bei der du deinen Kaffee nicht bezahlst, weil du ein Gast bist, und Gäste lässt man nicht zahlen.



Ich hab gegessen wie ein König und geschlafen wie ein Hund – oft mit meinem Hund Castor, der auf seine Weise auch alles aufsaugt, mit den Ohren, mit der Schnauze, mit diesem Blick, der mehr versteht als jeder Mensch. Die Forellen aus dem Sewansee, das Lavash frisch aus dem Tonofen, Tomaten, die nach Sonne schmecken und nicht nach Holland.

Und dann war da diese absurde Sauberkeit. In einem Land, das so rau ist, dass du dir bei jedem Tritt überlegst, ob dein Radlager noch mitspielt, liegt kaum Müll herum. Kein Gerümpel, kein Plastikmeer – nur Erde, Stein und Himmel. Die Armenier scheinen begriffen zu haben, dass der Ort, an dem sie leben, nicht ihnen gehört, sondern allen, die noch kommen werden.



Und dann war da noch der Wein. Verdammt, ja – der Wein! Ich meine, man redet immer über Georgien, als wäre das der Nabel der Weinkultur, aber in Armenien... da ist der Wein kein Event, kein Instagram-Filter mit Käseplatte, sondern Teil des Bodens, Teil der Geschichte, Teil der Seele. Hier machen sie das seit achttausend Jahren. Ohne viel Aufhebens. Ohne Marketing-Bullshit. Einfach Wein. Und der knallt nicht nur im Kopf, sondern auch im Herz.

Ich habe für ein paar lächerliche Drams Flaschen getrunken, die mich mehr berührt haben als so mancher teure Tropfen aus Frankreich oder Georgien. Armenischer Wein ist erdig, ehrlich, ein bisschen störrisch vielleicht, aber genau deshalb so gut. Wie das Land selbst. Du schmeckst den Stein, die Sonne, das alte Holzfass, in dem er lag. Nichts ist glattgebügelt. Nichts ist für den Massengeschmack gemacht.



Und der Cognac – Jesus, dieser Cognac. (Ja, ich weiss, er darf so nicht mehr genannt werden. Das ist auch gut so, denn er ist besser  als der aus Frankreich )

Ararat fließt dort wie Wasser und wärmt dir die Seele von innen raus. Kein Firlefanz, keine Großspurigkeit. Nur der ehrliche Geschmack eines Landes, das weiß, was es tut. Ich hab mit Bauern an der Straße getrunken, aus kleinen Plastikflaschen, mit großen Gesten und noch größeren Geschichten. Jeder Schluck war eine Erinnerung, jeder Rausch eine Umarmung.

Wenn Georgien der Wein-Snob mit Seidenschal ist, dann ist Armenien der alte Mann auf dem Plastikstuhl mit der vollen Karaffe und einem Blick, der dir sagt: „Setz dich. Erzähl mir was. Und dann trink, Bruder.“

Wenn ich Georgien war, war Armenien das nächste Kapitel. Tiefer. Wilder. Ehrlicher. Weniger Kitsch, mehr Wahrheit. Es war, als würde dir das Land zuflüstern: „Bleib ruhig noch ein bisschen, hier ist es gut.“ Und es war gut. Verdammt gut.

Es waren nur zwei Wochen, verdammt noch mal. Zwei Wochen, die sich anfühlten wie zwei Monate auf Speed. Kein Tag wie der andere, keine Begegnung belanglos. Ich hab geschwitzt, geflucht, gestaunt und gelacht – manchmal alles gleichzeitig. Dieses kleine, wilde Land hat mir in vierzehn Tagen mehr gegeben als so manch andere Reise in einem ganzen Sommer. Ich hab Eindrücke gesammelt wie ein Verrückter, als würde mir die Zeit davonlaufen. Vielleicht tat sie das auch. Aber Armenien hat sie für einen Moment angehalten – und das ist mehr, als man von den meisten Orten sagen kann.

Ich hab Armenien nicht gesucht. Aber es hat mich gefunden. Und ich hoffe, es vergisst mich nicht.

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Castor hat übrigens auch seinen Senf dazugegeben. Zu finden auf offdoor.blogspot.com. Der Hund hat mehr gesehen, als mancher Zweibeiner je wird.

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