Die Ligurische Grenzkammstraße – ein klangvoller Name für einen der letzten wahren Offroad-Trails Europas. Eine Schotterpiste, die sich durch die Berge windet wie eine alte Narbe, zwischen Italien und Frankreich, hoch oben, wo nur der Wind und ein paar verlorene Seelen hausen.
Im Sommer ein staubiges Paradies, im Winter eine unberechenbare Bestie. Und genau das wollte ich wissen: Wie weit kommt man wirklich, wenn der Schnee das Sagen hat?
Die LGKS – Was man wissen muss
Die Ligurische Grenzkammstraße, oder kurz LGKS, ist eine etwa 60 Kilometer lange Hochgebirgsroute, die von der französischen Grenze nahe Tende bis nach Monesi in Italien verläuft. Ursprünglich als Militärstraße gebaut, um die Alpenpässe zu sichern, ist sie heute ein Paradies für Offroad-Fahrer, Mountainbiker und Wanderer. Das Wort „Straße“ ist dabei großzügig gewählt – was hier wirklich wartet, sind enge Schotterwege, bröckelnde Abgründe und eine Natur, die dich nicht braucht.
Im Sommer ist die Strecke mit 4x4-Fahrzeugen gut machbar, aber offiziell nur von Juni bis Oktober geöffnet. Danach übernehmen Schnee, Eis und Stürme das Regiment, und die LGKS wird zu einer Falle für all jene, die glauben, dass Allrad und Selbstüberschätzung Naturgesetze aushebeln können.
Der Versuch: Mit Vollgas in die Sackgasse
Ich hatte es mir im Januar 2019 in den Kopf gesetzt, die Strecke im Winter zu probieren – nur ein kleines Stück, nur um zu sehen, wo die Grenzen liegen. Also rein ins Abenteuer, die Reifen knirschten über den ersten Schneematsch, die Luft war kalt und klar, und der Motor brummte zufrieden vor sich hin. Vom Colle di Tenda aus ging es hoch zum Rifugio Allavena, einer kleinen Hütte, die im Winter oft bewirtet ist. Hier war die Welt noch in Ordnung, der Schnee hielt sich zurück, als wolle er erst sehen, ob ich es wirklich ernst meine.
Dann wurde es einsam. Keine Reifenspuren mehr außer meinen eigenen, nur noch Stille und die ersten ernsthaften Schneeverwehungen. Ich pflügte weiter, langsam, vorsichtig, die Winde bereit, die Schaufel griffbereit. Einige Kilometer nach dem Rifugio Allavena war dann Schluss. Keine Diskussion, keine Verhandlung – eine meterhohe Schneewehe lag quer über den Weg, kompakt wie Beton, und dahinter ging es nur noch steiler bergauf. Ich versuchte es trotzdem. Vorwärts. Zurücksetzen. Ein neuer Anlauf. Keine Chance. Die LGKS hatte entschieden: Ich komme hier nicht weiter.
Winter auf der LGKS – Was passiert wirklich?
Viele Offroad-Träumer glauben, dass man mit genug Ausrüstung und Willenskraft überall durchkommt. Blödsinn. Die LGKS im Winter ist nicht einfach eine tief verschneite Straße – sie ist eine Mischung aus vereisten Passagen, tiefen Schneewehen und instabilem Untergrund, der unter der Last eines Fahrzeugs plötzlich nachgeben kann. Manche Abschnitte sind so schattig, dass sich dort den ganzen Winter über eine Eisschicht hält, die mit normalen Reifen kaum zu bezwingen ist. Dazu kommt die Höhe: Die Strecke verläuft größtenteils zwischen 1.800 und 2.100 Metern, und Wetterumschwünge sind hier keine Frage von Tagen, sondern von Minuten.
Der größte Feind im Winter ist nicht der Schnee allein, sondern der Wechsel zwischen weichem Pulverschnee, vereistem Altschnee und den versteckten Abgründen unter der weißen Decke. Was heute noch machbar aussieht, kann morgen eine tödliche Falle sein. Selbst wenn man eine Passage freischaufelt oder sich durchwühlt, kann die nächste Böe alles wieder zuschütten. Die Einheimischen wissen das und lassen die Strecke nicht umsonst seit einem tödlichen Unfall 2020 sperren. Im Januar 2025 war ich nochmal da und am Riffugio Allavena sieht es nun so aus.
Lektion gelernt
Also blieb nur der Rückzug. Ich drehte um, ließ die Wehe hinter mir und rollte langsam zurück ins Tal. Enttäuscht? Nein. Das hier war kein Scheitern, sondern eine Erinnerung daran, dass die Natur die besseren Karten hat. Im Sommer werde ich es wieder versuchen, wenn die LGKS nur Staub und Steine gegen mich in der Hand hat. Aber im Winter? Da gehört sie den Geistern, dem Schnee und denen, die es besser wissen.
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Wer die LGKS im Winter wirklich fahren will, braucht nicht nur ein gutes Fahrzeug – sondern auch verdammt gute Gründe. Ich hatte einen. Aber der Schnee hatte einen besseren.
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