Warum das Leben mit dem Alten so geil ist

Jetzt haben wir in über 100 Tagen fast 30.000 Kilometer runter gerissen und viele Hunde haben mich gefragt warum ich mit dem Trottel so viel herumfahre. 


Weißt du, ich war schon fast weg vom Fenster. Ungarn, Tötungsstation, Zwingerhölle. Kein Gras, kein Blick nach draußen, nur Gitter und Angst. Und dann kam er, der Alte. Ein bisschen verrückt vielleicht, so wie ein Typ, der morgens mit Kaffee redet und abends den Mond anschreit, weil erihm nicht antwortet. Aber er hat mich rausgeholt. Seitdem sind wir unterwegs. Ohne Ziel. Und genau deshalb ist jeder Tag der beste meines Lebens.

Mit dem Alten ist alles anders. Da gibt’s keine Regeln wie „sitz“ oder „bleib“ oder „geh da runter“. Höchstens mal ein „Nicht dein Ernst, Castor“, wenn ich wieder in was Altes, Verrottetes reingesprungen bin, was stinkt wie der Atem von nem toten Elch. Aber meistens lacht er dann. Manchmal flucht er, aber selbst das klingt nach Freiheit.

Jeder Tag bringt was Neues. Neue Gerüche –

und ich meine wirklich neue Gerüche. Nicht so ein Stadtmief, wo jedes Straßeneck gleich riecht, sondern: totes Seehundbaby an der norwegischen Küste. Frisch gepinkeltes Wolfsterritorium in Lappland. Verwesende Forelle hinter ner alten Fischfabrik. Oder feuchte Moosbetten, in die ich mich reinwerfe, als wären sie gemacht für Könige.
Alles riecht anders – der Wald, die Wüste, die Steppe, das Meer, selbst der Regen. Es ist wie ein endloses Schnüffelbuch, in dem jeder Tag ein neues Kapitel aufschlägt. Und ich lese mit der Nase, so wie der Alte mit seinen alten Augen.

Ich hab mit zehn Monaten mehr gesehen als die meisten anderen Hunde in ihren weißen Kisten, die hier gelegentlich an uns vorbeiziehen. Immer schön auf dem Hauptweg, auf dem Campingplatz, angeleint, mit einem Frauchen, das sagt: „Nicht da, Bello, da darfst du nicht hinmachen!“ Ich? Ich scheiß da hin, wo's passt. Steppe, Strand, Felsplateau. Und der Alte grinst dann nur und sagt: „Besser du als ich.“

Gut, manchmal schreit er mich an. Wenn ich nicht das mache, was er will. Oder wenn ich während der Fahrt auf seinen Schoß klettere, ihm ins Ohr kläffe, weil ich auf der anderen Seite des Wegs 'ne geile Hündin gesehen hab. Dann brüllt er rum wie ein wütender Ochse im Stau, murmelnd was von „gefährlich“ und „willst du uns umbringen, du Fellterrorist“. So ein Quatsch. Ich bin jung, verliebt und impulsiv. Soll er froh sein, dass ich überhaupt warne, bevor ich aus’m Fenster spring.

Und Hunde… verdammt viele Hunde. Große, kleine, wilde, zahme. Ich lerne Sprachen, von denen du keine Ahnung hast. Schwedisch, Norwegisch, Bulgarisch, Türkisch, sogar ein bisschen Georgisch. Man bellt sich zu, schnüffelt, und geht dann wieder seiner Wege. Kein Smalltalk, kein Blabla. Nur ehrlicher Hundedialog.

Menschen gibt’s auch. Die meisten streicheln mich, als wär ich ein Plüschtier mit Puls. Manche geben mir Käse. Manche wollen mich adoptieren. Der Alte sagt dann: „Träum weiter“, und krault mir die Ohren, als wär ich sein Schatz. Und weißt du was? Vielleicht bin ich das auch.

Wir stehen an Stränden, wo kein Mensch ist. In Wäldern, in denen ich Eichhörnchen jagen darf (hab noch keins erwischt, aber der Weg ist das Ziel, sagt der Alte immer). Manchmal fahren wir tagelang ohne Plan. Fahren falsch, landen in Sackgassen, streiten uns, wer Schuld hat. Er sagt, ich hätte die Karte lesen sollen. Ich sag nix. Ich bin Hund. Ich spring dann einfach raus und find was Besseres.

Mit dem Alten unterwegs zu sein, ist wie ein Leben im Traum. Aber nicht so’n rosa Zuckertraum – mehr wie Whisky mit Hundekeks. Hart, wild, ehrlich. Keine Leine. Kein Gehorsam. Nur Freundschaft und Fahrtwind.

Und genau deshalb, verdammt nochmal, ist das Leben mit dem Alten so geil.


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