Gefangen im Schatten der MiGs – Ein Deutscher zwischen Regen, Rubel und russischer Garnisons-Polizei

Bild ist Nach eigenen Vorgaben und Bildern KI generiert

Es roch nach nassem Lehm, Diesel und einer Spur Paranoia, als ich nach 4.200 Kilometern Landstraße durch Russland den Tank auf Reserve und das Hirn im Leerlauf hatte. 

Budjonnowsk Буденновск Region Stawropol RussiaMay 10, 2025 25° C

Noch dreihundert Kilometer bis zur georgischen Grenze, der Regen nagelte auf das Blechdach wie ein besoffener Schlagzeuger, und das Fernlicht der Entgegenkommenden brannte mir ins Hirn. Ich hatte 400 Euro in Rubel gewechselt, ein Himmelfahrtskommando aus kleinen, fettigen Scheinen. Sollte eigentlich nur reichen für 800km 1x quer durch Tschetschenien, Russland nach Astrachan. Nicht geplant waren die 4.500 km bis hinter Samara und zurück nach Wladikawkaz. Aber die Russen wollten mich bei 3 Grenzübertrittsversuchen nicht nach Kasachstan ausreisen lassen. Ich hatte noch 1000 Rubel, gerade so viel, dass der Diesel reichte und morgen noch ein Mittagessen drin wäre. 
In Georgien würde die Kreditkarte wieder leben, das Starlink wieder funken. Aber hier, mitten in Russland, war ich auf eine Russische SIM-Karte angewiesen, die mich aus dem Netz sperrte wie ein Hund, der nicht in den Garten darf.

Rastplatz an der Landstrasse nach Mozdok
Ein Parkplatz tauchte aus der Dunkelheit auf, eine dieser gottverdammten Oasen: saubere Dusche, neue Toilette, ein Stück Luxus zwischen Morast und Motorenlärm. Ich duschte mich frei vom Dreck der Straße, fühlte mich für einen Moment wie ein König – und fuhr nach einem tiefen Schlaf weiter in den Morgen.


Dann kam Mosdok (Моздок) Nordossetien-Alanien, Russland

Das Navi drehte plötzlich Pirouetten, die Karte tanzte Polka, der Kompass lachte mich aus. GPS-Störung. Ich roch Ärger, noch bevor ich das Schild sah: **Restricted Area**. In der Ferne standen die MiGs wie Raubvögel auf der Lauer, Olivfahrzeuge rollten laut brüllend über den Asphalt. Soldatenstadt. Garnison. Verbotene Zone. 

Ich wollte sofort abdrehen, doch das war nur ein Gedanke, kein Plan. Schon schob sich ein Polizeiwagen neben mich, Kelle raus, Blaulicht im Regen, ein geölter Daumen auf der Realität. Die: "Einsteigen, mitkommen". Ich: "In meinem Auto sitzt mein Hund." Die: "OK dann hinter uns herfahren - nicht fliehen" 

Parkplatz für die Nacht vor dem Polizeipräsidium
Kein Englisch. Wozu auch. In einer Stadt, in der Fremde nichts zu suchen haben, braucht niemand Englisch. Meine Übersetzungs-App brauchte Empfang, den es im Polizeibüro das noch nach Sowietunion roch, nicht gab. Also liefen der Offizier und ich wie zwei Clowns alle drei Sätze nach draußen, damit die App stotternd ausspucken konnte, warum ein Deutscher getarnt mit österreichischem Kennzeichen Kurz nach der 80 Jahresfeier zum Sieg über Hitlerdeutschland hier durch den Nebel kroch. 

Fingerabdrücke, Fotos. Knastlicht. Drei Stunden, fünfmal dieselbe Geschichte, jedes Mal ein bisschen müder, jedes Mal ein bisschen wahrer.

Strafzettel: 2.000 Rubel, ca. 20 Euro. Ich hatte noch 1.000. Der Rest steckte im Tank, der mich zur Grenze bringen sollte. Sonntagvormittag, Banken geschlossen, Bargeld nutzlos wie ein alter Hund, der nicht mehr jagt. Sie nahmen meinen Reisepass und die Fahrzeugpapiere, gaben mir einen Parkplatz vor der Wache. Sie wollten nicht das ich in der Zelle übernachten muss. Nur Warten.

Ein Deutscher in einer russischen Garnisonsstadt, allein mit Hund aus Ungarn. 

Ich wurde zur Attraktion. Soldaten, halbe Kinder, neugierige Blicke. Sie brachten mir Tee, Brot, fragten Löcher in den Bauch. 

Freundlich. Verdammte, unverschämte Freundlichkeit. Auch wenn der PolitOffizier im Hintergrund ihnen - und einer sprach englisch - wohl die Fragen diktierte. So vermute ich, verstehen konnte ich NICHTS.

Montagmorgen, neun Uhr. Ein UAZ Patriot, nagelneu, kam wie ein graues Tier vorgefahren. Zwei Polizisten, schweigsam, nahmen mich mit. Zur Bank. Die Anweisung an die Tante hinter dem Schalter war klar: meine Dollar tauschen, die Strafe online überweisen, den Rest in Rubel für Diesel auszahlen. Kein Raum für Korruption. 

Dann fuhren sie mich zurück, gaben mir Quittung und meine Papiere, fragten 3x ob alles in Ordnung sei und eskortierten mich bis zur Schnellstraße. 

Kein Umkehren, kein Verirren. „Nur geradeaus nach Wladikawkas“, sagte der Blick des Offiziers und mein Übersetzer. Und: „Komm nie wieder hierher. Dann verhaften wir Dich uns weisen Dich offiziell aus“

Fazit: Alle Menschen, denen wir in Russland begegnet sind, waren überaus freundlich und zuvorkommend – selbst die Polizisten und Militärs in der Sperrzone. keinerlei Ansatz von Korruption. Russland hat mich in vielerlei Hinsicht positiv überrascht und wird mich sicher wiedersehen – nur nicht in Mosdok.

**Mozdok**

Mosdok liegt im Norden der Republik Nordossetien-Alanien, eine Garnisonsstadt mit scharfen Kanten und sowjetischen Schatten. Militärflugplätze, alte Kasernen, Felder aus Steppe und Staub. 25 Grad am 10. Mai, die Luft schmeckt nach Kerosin und Sonnenblumen. Hier prallen Wolgawinde auf russische Disziplin. Für Durchreisende ist es ein Ort aus Beton und Befehlen, für die, die bleiben, eine Heimat zwischen Soldatentradition und endloser Steppe. Ein Ort, der dich anstarrt, bis du verschwindest.




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