Griechenland. Verboten. Vergessen. Vorbei.

Ein Kapitel aus: „Castor – eine kleine Lebensreise.“

Erzählt von einem Hund, der mehr sieht als man denkt.

Wir standen irgendwo in der westlichen Türkei an den Dardanellen. Hinter uns lagen staubige Straßen, vor uns die Ahnung von Europa. Ich döste auf dem Beifahrersitz, während der Alte auf sein Handy starrte wie auf eine Todesanzeige.
Seine Lippen bewegten sich, aber da kam kein Ton raus. Nur dieser Blick.

Ich hob den Kopf.
Er zog die Brauen zusammen, als würde ihm jemand ins Gesicht pissen.

„Griechenland hat’s jetzt echt getan, Castor. Freistehen verboten. Wildcampen verboten. 300€ Strafen und mehr bei Zuwiderhandlung.“
Er schüttelte den Kopf. „Und das mitten im Sommer. Genau jetzt, wo alle losfahren.“

Ich sah ihm zu. Ich kannte das. Diese Mischung aus Enttäuschung, Wut, Wehmut. So riecht ein gebrochener Plan.


„Die haben echt geglaubt, das sei eine gute Idee. Keine legale Übernachtung mehr außerhalb von Campingplätzen. Keine Zuflucht auf einem abgelegenen Feldweg, keinem Olivenhain, keinem verlassenen Strand. Einfach Verbot. Basta. Als ob alle Camper plötzlich Millionäre mit Hotelzimmeranspruch wären.“

Er fluchte nicht laut. Er fluchte nach innen. Das ist schlimmer.

Dann legte er los, wie einer, der weiß, dass ihm keiner zuhört, aber reden muss, um nicht verrückt zu werden.

„Wer garantiert mir denn jetzt, dass in der Nebensaison überhaupt ein Platz offen hat? November. März. Wenn das Meer grau ist, aber die Seele frei. Wenn du morgens frierend rauskommst und der erste Mensch, dem du begegnest, ein Fischer ist, kein Platzwart mit Gebührenzettel.“

Ich gähnte.
Aber ich verstand.

„Und wer garantiert mir, dass im Sommer genug Platz für alle ist? Für die Familien aus Deutschland, die Rentner aus Holland, die Aussteiger aus Polen, die Surfer aus Frankreich? Die, die keinen Bock auf Poolanimation und Stromanschluss haben, sondern auf Freiheit?“



Er sah mich an.
„Weißt du, Castor… das war mal ein tolles Land. Ein Land, das uns verstanden hat. In dem du für ein paar Drachmen Raki gekriegt hast und ein Lächeln dazu. Wo du in Tavernen gesessen hast, in denen keiner dein Kennzeichen sehen wollte – nur deinen Hunger.“

Er schaute zur Tankanzeige, checkte die Route, fluchte noch leiser. Dann sagte er:
„Weißt du was, Castor? Ich danke dieser verdammten Türkei. Da tank ich nochmal billig voll. Diesel, Wasser, Olivenöl. Ich füll dir die Näpfe und mir die Kanister. Und dann fahren wir. Schnell durch Griechenland. Keine Pause. Keine Taverne. Keine Drachme. Kein Wort.“

Ich hob den Kopf.
Er sah raus auf die Straße. Die Sonne senkte sich wie ein rostiger Amboss auf den Horizont.

„Vielleicht schauen wir kurz aufs Meer. Vielleicht pisst ubd kackst Du ünoch in einen Olivenhain, der uns vermissen wird. Aber schlafen? Schlafen tun wir in Albanien. Und ganz besonders geben wir unser Geld in Albanien aus. Nicht mehr in Griechenland. Wir reisen nur durch. Schnellstmöglich. Wie ein Hund mit eingekniffenem Schwanz durch einen Hof, in dem er mal willkommen war – und jetzt plötzlich nur noch stört.“

Ich legte die Schnauze wieder auf die Ablage. Irgendwo kläffte ein Straßenhund. Vielleicht war er Grieche. Vielleicht war er einfach nur hungrig.

Der Alte startete den Motor. Dieselgrollen.
Ein letzter Blick gen Westen.
Dann fuhren wir los.



Vielleicht versteht man in Athen bald, dass man nicht alles verbieten kann, ohne etwas zu verlieren.

Und all das... wegen eines Gesetzes, das wieder einmal zeigt, dass der Mensch immer zuerst kaputt macht, was er nicht versteht. Und ganz besonders die Sesselfurzer.

UPDATE:

Nachdem ich mit mehreren Besitzern von Beach Bars gesprochen hatte, an denen ich eigentlich übernachten wollte, wurde klar: keine Chance. Keine Genehmigung, keine Ausnahme, keine Tricks. Die Dinger stehen zwar am Strand, verkaufen Cocktails mit Blick aufs Meer, aber wenn’s ums Schlafen im Auto geht – Schluss.

Sie kriegen keine Erlaubnis, sagen sie. Und würden auch nie eine bekommen.

Parallel dazu ein paar Gespräche mit Campern, die schon seit Tagen einfach irgendwo standen. Polizei? Ja, die ist mehrmals vorbeigefahren. Hat sogar angehalten. Aber nichts passiert. Kein Ticket, kein Stress, kein Zeigefinger aus dem Fenster.

Es scheint, als würde das alles von Gemeinde zu Gemeinde anders laufen.

In der Gemeinde, wo ich gestern stand – völlig entspannt. Da mussten nur die Dauercamper weichen, die mit Wäscheleinen, Satellitenschüsseln und Vorgarten leben.

Aber ein Tag vorher, andere Gemeinde, anderes Spiel. Überall neue Schilder: Campen verboten. Ein Pick-up tauchte auf, fuhr mir langsam hinterher bis runter zum Strand, blieb auffällig lange in der Nähe. Und verschwand erst, als ich das Weite suchte.

Jetzt, ein paar hundert Kilometer später, Pinienhain. Direkt am Strand. Ein Traum von Ort. Restaurant um die Ecke, riesiger Sandstrand, das Meer rauscht wie eine alte Liebe im Schlaf.

Zwei Camper stehen hier. Beide erzählen das Gleiche: seit Tagen da, keiner gekommen.

Vielleicht ist das die Regel auf dieser Reise: Es gibt keine. Nur Momente, Intuition und ein bisschen gesunder Menschenverstand.

Und manchmal eben auch ein bisschen Glück.

Ich handhabe es wie in der Corona-Zeit – damals konnte ich am Ende viel mehr reisen, als ich selbst geglaubt hätte. Weil ich mir jedes Mal irgendein Schlupfloch gesucht habe. Halblegal, ganz egal. Und genau das geht auch hier.

Eine Nacht irgendwo stehen, im Auto schlafen – das scheint fast überall zu funktionieren. Solange du unauffällig bleibst. Keine Stühle raus, kein Tisch, keine Markise, kein „Ich wohn jetzt hier“-Vibe. Sobald’s aussieht wie Urlaub auf Dauer, wird’s teuer.

Und auf sowas hab ich keinen Bock.

Ich hab keine Lust, jeden Tag stundenlang zu überlegen, wo ich mein verdammtes Auto hinstellen kann.

Deshalb werde ich in den kommenden Tagen einfach weiter nach Albanien fahren. Dort ist’s einfacher. Dort kann ich stehen, wo ich will.

Und das ist es, was ich gerade brauche: Freiheit, kein Regelwerk, keine täglichen Gedankenspiele

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