Du hast es getan. Du bist ausgebrochen. Raus aus der Tretmühle. Rein in die Freiheit. Rein ins Abenteuer.
Du fährst, du lebst, du atmest – und du schwitzt. Und fluchst. Und kratzt dich. Und hast Durchfall.
Denn was auf Instagram aussieht wie ein Werbespot für Outdoor-Glückseligkeit, ist in Wirklichkeit ein epischer Ritt durch Sand, Schweiß, Mücken und Misstrauen.
Dieser Post ist für all jene, die glauben, dass Overlanding einfach nur eine hübsche Drohne und ein Espressokocher auf dem Dachzelt ist.
Und für die, die schon lange unterwegs sind – und heimlich beim Lesen nicken werden.
1. Die tägliche Suche nach einem Übernachtungsplatz (und warum du am Ende doch oft im Staub stehst)
Man stellt sich das romantisch vor: Sonnenuntergang, Weitblick, ein Platz irgendwo mitten in der Natur.Die Realität?
Du fährst stundenlang durch unbekanntes Terrain.
Die iOverlander- und ParkforNight Spots sind entweder überfüllt, vermüllt gesperrt oder existieren gar nicht.
Du willst nicht mitten im Dorf stehen, weil dein Hund sich gerade in Kameldung gewälzt hat und die Dieselheizung röchelt wie ein kettenrauchender Busfahrer.
Du hast auch gerade keinen Bock nach Eweg langen aber netten Gesprächen mit Einwohnern.
Du suchst etwas Ruhiges, Schönes – aber bitte ohne Schlangen, ohne Skorpione, ohne Bären, ohne neugierige Dorfbewohner, ohne Militär und ohne Polizei.
Spoiler: Das gibt’s oft nicht.
Aber: Das ist einer der Gründe weshalb mein Auto stark offroad-tauglich ist, um an solche Plätze zu gelangen an dem Andere niemanden vermuten oder nicht hinkommen.
2. Schlangen, Skorpione und andere lokale Spezialitäten
Du stehst in Regionen, in denen „Steppendekoration“ nicht aus Lavendel und Kieselsteinen besteht, sondern aus Dingen, die dich töten oder verletzen können, weil du in ihren Lebensraum eindringst.Und dein junger Hund – nennen wir ihn naiv – steckt die Nase in jedes Loch, das nach Abenteuer riecht.
Plötzlich springt er zurück, winselt, schleckt sich die Pfote.
Du googelst hektisch „Wie lange lebt ein Hund nach einem Skorpionstich?“ während dein Puls durch die Dachluke rauscht.
Du willst schlafen.
Aber dein Hirn zählt keine Schäfchen mehr, sondern giftige Reptilien.
3. Mücken. Die wahren Herrscher der Wildnis
Es beginnt harmlos bei Sonnenuntergang.
Ein Summen. Eine juckende Stelle.
Dann zehn, zwanzig, hundert. Sie kommen in Schwärmen, organisiert wie ein Militärkommando.
Nützt nichts.
Sie finden dich. Immer.
Sie beißen dir durch den Socken, durch das Moskitonetz, durch dein Ego.
Du kratzt dich um drei Uhr morgens blutig und überlegst ernsthaft, ob Sterilisation durch Selbstverbrennung eine Lösung wäre.
4. Vierzig Grad. Kein Baum. Kein Schatten. Kein Wind.
Man denkt, man ist ein harter Hund.Bis man mit geöffneter Motorhaube im Nirgendwo steht, das Thermometer 44 Grad zeigt und selbst der Sand stöhnt.
Du sitzt in deiner Kabine, atmest durch den Mund, während dein Hund unter dem Auto liegt und aussieht wie ein geräucherter Teppich.
Du trinkst warmes Wasser.
Und du hasst dein Leben.
5. Lärmende Dorfjugend mit Bluetooth-Boxen
Du findest endlich einen ruhigen Platz.
Mit Aussicht.
Mit Wind.
Mit Hoffnung.
Und dann… tauchen sie auf.
Drei Roller, fünf Jungs, zwei Mädchen mit Selfiesticks.
Einer spielt Techno.
Einer fragt, ob du Influencer bist.
Einer fragt, ob du Gras dabei hast.
Du lächelst. Du winkst. Du stirbst innerlich.
6. Polizei, Militär & der Albtraum der Sicherheitslage
Du denkst, du hast den perfekten Spot.
Abgelegen, sicher, schön.
Dann kommt das Blaulicht.
Oder das Tarnmuster.
Oder beides.
“You can’t stay here. Security problem.”
Du nickst, obwohl du weißt: Der eigentliche Sicherheitsfaktor bist du – für dich selbst.
Und dann fährst du weiter. Im Dunkeln. Mit nassem Hund. Durch Schlaglöcher. Weil es eben nicht erlaubt ist, sich dort niederzulassen, wo es schön ist.
7. Der tägliche Schmutz – Sand, Gras, Schlamm, alles überall
'Du versuchst, Ordnung zu halten.
Du hast sogar eine Schuhmatte! Und einen Handbesen! Und ein ausgeklügeltes System!
Doch alles versagt, sobald es regnet.
Der Boden wird zu Betonlehm.
Du schleppst Schlamm in deine Kabine. Der Hund wirft Sand ins Bett.
Du liegst irgendwann auf Erde, isst auf Erde, schläfst auf Erde.
Du bist eins mit der Natur.
Unfreiwillig.
8. Dünnpfiff, kalte Duschen & der See, der dich verätzt hat
Du bist seit Tagen unterwegs.
Irgendwas war schlecht. Vielleicht das Wasser. Vielleicht der Straßenimbiss. Vielleicht das Vertrauen in deine Verdauung.
Du sitzt also da – klammernd an eine Klappschaufel, während der Hund dir dabei zusieht, wie du dein letztes bisschen Würde in ein Loch vergräbst.
Und danach willst du dich duschen.
Natürlich gibt’s keinen Luxus.
Nur eine kalte Kanisterdusche bei 8 Grad Außentemperatur und Windstärke 5.
Oder du springst in einen scheinbar glasklaren See in Anatolien, der sich später als Natronsee herausstellt.
Du kommst raus und deine Haut fühlt sich an wie ein eingeriebenes Grillhähnchen.
Du riechst nach Alge und Asche. Die Augen brennen.
Und plötzlich willst du wieder duschen. Aber die ist kalt. Also Natronsee. Also wieder duschen. Und so weiter.
9. Und plötzlich stehen drei Kangal neben deinem Hund
Du denkst, heute hast du’s geschafft.
Toller Spot, kein Wind, kein Müll, kein Techno. Nur Schafe irgendwo in der Ferne.
Du kochst gerade Tee. Der Hund döst. Du nimmst einen tiefen Zug frischer Abendluft.
Und dann:
WUFF.
Noch ein WUFF. Und noch eins.
Drei Kangal. 60 Kilo Anatolien. 180 Kilo Missverständnis.
Sie kommen näher. Ohne Leine. Ohne Hirn. Mit dem Selbstbewusstsein von Security-Personal auf Anabolika.
Dein Hund, 15 Kilo Mischling, wedelt. Er denkt: Spielzeit!
Du denkst: Krankenhaus.
Du wirfst dich dazwischen, schreist, wedelst mit einem Klappstuhl.
Der Tee kippt. Der Hund rennt. Die Kangals folgen.
Und der Schäfer steht hundert Meter weiter, winkt freundlich – als wär’s ein tägliches Ritual.
Abends brauchst du einen Schnaps.
Oder zehn.
Und trotzdem...
Trotz Mücken, Durchfall, Polizei, Hitze, Staub, jugendlicher Tanzmusik und nächtlichen Schlangenattacken bleibst du.Denn manchmal – nur manchmal – kommt dieser eine Moment:
Der Himmel färbt sich lila.
Dein Hund schläft ruhig.
Kein Laut. Kein Licht. Keine Verpflichtung.
Und dann weißt du:
Das hier ist nichts für Instagram.
Aber es ist echt.
Verdammt echt.
Und das reicht. Und du lernst nette Leute kennen? Der 99% der Einheimischen sind sehr freundlich und in manchen Ländern extrem gastfreundlich.
Natürlich ist das nicht immer so. Der größte Teil der Zeit ist wirklich angenehm, wenn auch manchmal herausfordernd. Insbesondere bei den administrativen Themen an den Grenzen außerhalb Europas. Und wer weiss wovon ich rede, der weiss dass ich auch etwas Sarkasmus mit hineingebracht habe.
Never stop discovering.
Auch wenn es manchmal nach kaltem Kaffee, Hundefell und nassem Boden schmeckt.