Langzeitreisen – Die ungeschönte Wahrheit - Oder: Wenn Freiheit nach nassem Hund, Mückenspray und schlechtem Wasser schmeckt

Du hast es getan. Du bist ausgebrochen. Raus aus der Tretmühle. Rein in die Freiheit. Rein ins Abenteuer.

Du fährst, du lebst, du atmest – und du schwitzt. Und fluchst. Und kratzt dich. Und hast Durchfall.
Denn was auf Instagram aussieht wie ein Werbespot für Outdoor-Glückseligkeit, ist in Wirklichkeit ein epischer Ritt durch Sand, Schweiß, Mücken und Misstrauen.

Dieser Post ist für all jene, die glauben, dass Overlanding einfach nur eine hübsche Drohne und ein Espressokocher auf dem Dachzelt ist.
Und für die, die schon lange unterwegs sind – und heimlich beim Lesen nicken werden.


1. Die tägliche Suche nach einem Übernachtungsplatz (und warum du am Ende doch oft im Staub stehst)

Man stellt sich das romantisch vor: Sonnenuntergang, Weitblick, ein Platz irgendwo mitten in der Natur.
Die Realität?
Du fährst stundenlang durch unbekanntes Terrain.
Die iOverlander- und ParkforNight Spots sind entweder überfüllt, vermüllt  gesperrt oder existieren gar nicht.
Du willst nicht mitten im Dorf stehen, weil dein Hund sich gerade in Kameldung gewälzt hat und die Dieselheizung röchelt wie ein kettenrauchender Busfahrer.

Du hast auch gerade keinen Bock nach Eweg langen aber netten Gesprächen mit Einwohnern.

Du suchst etwas Ruhiges, Schönes – aber bitte ohne Schlangen, ohne Skorpione, ohne Bären, ohne neugierige Dorfbewohner, ohne Militär und ohne Polizei.

Spoiler: Das gibt’s oft nicht. 

Aber: Das ist einer der Gründe weshalb mein Auto stark offroad-tauglich ist, um an solche Plätze zu gelangen an dem Andere niemanden vermuten oder nicht hinkommen.


2. Schlangen, Skorpione und andere lokale Spezialitäten

Du stehst in Regionen, in denen „Steppendekoration“ nicht aus Lavendel und Kieselsteinen besteht, sondern aus Dingen, die dich töten oder verletzen können, weil du in ihren Lebensraum eindringst.

Und dein junger Hund – nennen wir ihn naiv – steckt die Nase in jedes Loch, das nach Abenteuer riecht.

Plötzlich springt er zurück, winselt, schleckt sich die Pfote.
Du googelst hektisch „Wie lange lebt ein Hund nach einem Skorpionstich?“ während dein Puls durch die Dachluke rauscht.

Du willst schlafen.
Aber dein Hirn zählt keine Schäfchen mehr, sondern giftige Reptilien.


3. Mücken. Die wahren Herrscher der Wildnis

Es beginnt harmlos bei Sonnenuntergang.
Ein Summen. Eine juckende Stelle.
Dann zehn, zwanzig, hundert. Sie kommen in Schwärmen, organisiert wie ein Militärkommando.

Du hast alles dabei: Deet, Netze, Spiralen, Räucherstäbchen, dein letztes bisschen Verstand.
Nützt nichts.

Sie finden dich. Immer.
Sie beißen dir durch den Socken, durch das Moskitonetz, durch dein Ego.

Du kratzt dich um drei Uhr morgens blutig und überlegst ernsthaft, ob Sterilisation durch Selbstverbrennung eine Lösung wäre.


4. Vierzig Grad. Kein Baum. Kein Schatten. Kein Wind.

Man denkt, man ist ein harter Hund.
Bis man mit geöffneter Motorhaube im Nirgendwo steht, das Thermometer 44 Grad zeigt und selbst der Sand stöhnt.

Du sitzt in deiner Kabine, atmest durch den Mund, während dein Hund unter dem Auto liegt und aussieht wie ein geräucherter Teppich.

Du trinkst warmes Wasser.
Und du hasst dein Leben.


5. Lärmende Dorfjugend mit Bluetooth-Boxen

Du findest endlich einen ruhigen Platz.
Mit Aussicht.
Mit Wind.
Mit Hoffnung.

Und dann… tauchen sie auf.
Drei Roller, fünf Jungs, zwei Mädchen mit Selfiesticks.
Einer spielt Techno.
Einer fragt, ob du Influencer bist.
Einer fragt, ob du Gras dabei hast.

Du lächelst. Du winkst. Du stirbst innerlich.


6. Polizei, Militär & der Albtraum der Sicherheitslage


Du denkst, du hast den perfekten Spot.
Abgelegen, sicher, schön.

Dann kommt das Blaulicht.
Oder das Tarnmuster.
Oder beides.

“You can’t stay here. Security problem.”
Du nickst, obwohl du weißt: Der eigentliche Sicherheitsfaktor bist du – für dich selbst.
Und dann fährst du weiter. Im Dunkeln. Mit nassem Hund. Durch Schlaglöcher. Weil es eben nicht erlaubt ist, sich dort niederzulassen, wo es schön ist.


7. Der tägliche Schmutz – Sand, Gras, Schlamm, alles überall

'Du versuchst, Ordnung zu halten.
Du hast sogar eine Schuhmatte! Und einen Handbesen! Und ein ausgeklügeltes System!

Doch alles versagt, sobald es regnet.
Der Boden wird zu Betonlehm.
Du schleppst Schlamm in deine Kabine. Der Hund wirft Sand ins Bett.
Du liegst irgendwann auf Erde, isst auf Erde, schläfst auf Erde.

Du bist eins mit der Natur.
Unfreiwillig.


8. Dünnpfiff, kalte Duschen & der See, der dich verätzt hat

Du bist seit Tagen unterwegs.
Irgendwas war schlecht. Vielleicht das Wasser. Vielleicht der Straßenimbiss. Vielleicht das Vertrauen in deine Verdauung.

Du sitzt also da – klammernd an eine Klappschaufel, während der Hund dir dabei zusieht, wie du dein letztes bisschen Würde in ein Loch vergräbst.

Und danach willst du dich duschen.
Natürlich gibt’s keinen Luxus.
Nur eine kalte Kanisterdusche bei 8 Grad Außentemperatur und Windstärke 5.



Oder du springst in einen scheinbar glasklaren See in Anatolien, der sich später als Natronsee herausstellt.
Du kommst raus und deine Haut fühlt sich an wie ein eingeriebenes Grillhähnchen.
Du riechst nach Alge und Asche. Die Augen brennen.
Und plötzlich willst du wieder duschen. Aber die ist kalt. Also Natronsee. Also wieder duschen. Und so weiter.


9. Und plötzlich stehen drei Kangal neben deinem Hund


Es ist früher Abend.
Du denkst, heute hast du’s geschafft.
Toller Spot, kein Wind, kein Müll, kein Techno. Nur Schafe irgendwo in der Ferne.

Du kochst gerade Tee. Der Hund döst. Du nimmst einen tiefen Zug frischer Abendluft.
Und dann:
WUFF.
Noch ein WUFF. Und noch eins.

Drei Kangal. 60 Kilo Anatolien. 180 Kilo Missverständnis.
Sie kommen näher. Ohne Leine. Ohne Hirn. Mit dem Selbstbewusstsein von Security-Personal auf Anabolika.

Dein Hund, 15 Kilo Mischling, wedelt. Er denkt: Spielzeit!
Du denkst: Krankenhaus.



Du wirfst dich dazwischen, schreist, wedelst mit einem Klappstuhl.
Der Tee kippt. Der Hund rennt. Die Kangals folgen.
Und der Schäfer steht hundert Meter weiter, winkt freundlich – als wär’s ein tägliches Ritual.

Abends brauchst du einen Schnaps.
Oder zehn.


Und trotzdem...

Trotz Mücken, Durchfall, Polizei, Hitze, Staub, jugendlicher Tanzmusik und nächtlichen Schlangenattacken bleibst du.
Denn manchmal – nur manchmal – kommt dieser eine Moment:

Der Himmel färbt sich lila.
Dein Hund schläft ruhig.
Kein Laut. Kein Licht. Keine Verpflichtung.

Und dann weißt du:
Das hier ist nichts für Instagram.
Aber es ist echt.
Verdammt echt.

Und das reicht. Und du lernst nette Leute kennen? Der 99% der Einheimischen sind sehr freundlich und in manchen Ländern extrem gastfreundlich.



Natürlich ist das nicht immer so. Der größte Teil der Zeit ist wirklich angenehm, wenn auch manchmal herausfordernd. Insbesondere bei den administrativen Themen an den Grenzen außerhalb Europas. Und wer weiss wovon ich rede, der weiss dass ich auch etwas Sarkasmus mit hineingebracht habe. 


Never stop discovering.
Auch wenn es manchmal nach kaltem Kaffee, Hundefell und nassem Boden schmeckt.

Armenien – Staub, Stein und Wein

Armenien. Verdammt, was für ein Land. Ich hatte ja einiges erwartet – kahle Berge, ein paar alte Steine, vielleicht ein Glas schlechter Schnaps am Straßenrand. Aber was ich bekommen habe, war ein Schlag mitten in die Fresse der Erwartungen.



Es waren nur 2 Wochen aber mit der Intensität von 2 Monaten.

Schon bei der Einfahrt über die Grenze wurde klar: Das hier ist kein zweites Georgien. Es ist besser. Keine herumlungernden Plastiktüten, kein Theater. Stattdessen: Stille. Weite. Und Menschen, die dir in die Augen schauen, als wollten sie dir nichts verkaufen, sondern einfach nur wissen, wie’s dir geht. Unglaublich, aber wahr.

Somewhere between Steinen, Schnee und Donner – GeSCHEITERt am Mount Azhdahak


Der Alte hat heute wieder eine dieser genialen Wahnsinnsideen gehabt. "Wir kürzen ab", hat er gesagt. "Direkter Weg zum See am Vulkan vorbei. Mount Azhdahak 3795m hoch.  Vulkan", hat er gesagt. Zwanzig Kilometer Luftlinie. Vielleicht. Wenn man Flügel hat. Oder ein verdammter Vogel ist. Wir sind keine Vögel. Wir sind ein alter Mann mit einem fitten Hund und einem pickelharten Pick-up auf Allrad und Hoffnung.

https://youtube.com/watch?v=r1BIAa9Xuuk&si=x9UrRh_-zuVjup_n

Der Azhdahak stand da wie ein stummer Gott aus grauem Stein, seine Flanken noch verschneit, selbst Ende Mai. Wir wollten ihm zu Füßen liegen, den Drachenberg riechen, seinen Atem spüren. Und dann kam der Schnee. Erst eine Verwehung – wir drüber. Dann noch eine – wir umfahren durchs Vulkangeröll. Dann die dritte: ein Grab für Pick-ups. Der Alte steigt aus, flucht in drei Sprachen, schaut auf die Karte, flucht wieder, schnauft wie ein alter Diesel. Dann zieht er die Reißleine. Umkehren. Man muss wissen, wann der Berg gewonnen hat. Heute war er stärker.

Aber weißt du was? Es war trotzdem Magie in der Luft. Wir haben Wasser gesehen, das bergauf fließt – ich schwöre bei meinem Napf! Angeblich eine optische Täuschung? Aber der alte meint so blöd kann er doch gar nicht sein. Kleine Quellen, die aus dem Bauch des Drachen steigen, blubbernd, warm, lebendig. Der Vulkan atmet. Vielleicht träumt er. Vielleicht ist er nur hungrig nach uns.

Und das tollste, der Alte fährt einfach drüber mit dem Kommentar sich eine Unterbodenwäsche abzuholen. Dabei hätten wir einsacken können bis ins Erdinnere. Dieser Trottel.

Und dann waren da diese Steine. Die Bullshapes. Megalithen. Wie getrunkene Riesen sie zufällig in die Landschaft geworfen hätten, bevor sie umkippten und starben. Oder tanzende Drachen, die beim Sonnenaufgang versteinert wurden. Irgendetwas zwischen Mythos und Mathematik. Der Alte stand davor, hat sich eine Wurst gegessen und nichts gesagt. Wenn er schweigt, sagt er manchmal am meisten.

Dann die Straße. Wenn man das überhaupt Straße nennen darf. Eher eine Aneinanderreihung von Löchern, Felsen, Steinen, Schlamm und Witzen. Die schlechteste Straße Armeniens, sagt der Alte. Ich glaube, es ist die schlechteste Straße der Welt. Vielleicht die schlechteste aller Zeiten. Ich bin durchgeschüttelt worden wie ein Würstchen im Mixer. Aber wir sind durch. Irgendwie.

Jetzt liegen wir oberhalb vom Kloster Geghard. Biblischer geht’s kaum. In den Fels gehauen, von Mönchen gebaut, die mehr mit den Sternen redeten als mit Menschen. Unter uns das Tal, über uns der Donner. Das Gewitter sitzt auf unserem Dach wie ein alter Kater und kratzt. Aber wir sind trocken. Wir sind warm. Und wir haben den Drachen gesehen.

Alle paar Minuten Pfeift die Fontäne Warmes Wasser aus einem Rohr und der Alte überlegt schon wieder Duschen zu gehen.

Vielleicht sind wir keine zwei Kilometer Luftlinie gekommen. Aber manchmal sind zwei Kilometer mehr als die ganze Welt.

Und ich? Ich schnaufe zufrieden, kaue noch an einem Stück armenischem Brot und warte auf den nächsten Wahnsinn des Alten. Vielleicht besiegen wir morgen den Schnee. Vielleicht auch nicht. Aber es wird laut, dreckig, schön.

– Castor (mit schmutzigen Pfoten und einem Herzen voll Vulkanblubbern) 

Camping-Highlight am Sewansee: Armenian Camp bei Artanish, Armenien

Wenn man monatelang mit dem eigenen Offroader durch den Kaukasus und halb Osteuropa holpert, wird man genügsam. Eine halbwegs gerade Fläche, keine Müllhalde, vielleicht noch eine funktionierende Dusche – schon ist man glücklich. Und dann kommt man zum Armenian Camp beim Ort Artanish am Sewansee und fragt sich: Bin ich noch in Armenien oder schon im Camping-Resort-Paradies?

"Der Ararat, der Schnaps und das große Verlieren – ein Blick aus der Ferne"

Du starrst den ganzen Tag auf diesen gottverdammten Berg. Majestätisch, schneebedeckt, 5137 Meter Arroganz. Ararat.

Der heilige Berg der Armenier, wo Noah angeblich seinen Suffkahn nach der Sintflut an Land zog.

Aber wenn du heute auf der Karte nachsiehst – Überraschung: Türkei.






Du fragst dich irgendwann, mitten im warmen Staub, warum der verdammte Ararat nicht mehr zu Armenien gehört.

Warum steht das Wahrzeichen eines ganzen Volkes heute auf fremdem Boden? Warum steht der Glaube auf der falschen Seite der Grenze?

Die Antwort liegt wie immer im Schmutz der Geschichte.

Steinerne Erinnerungen – Friedhöfe in Armenien und die Kunst des Gedenkens

Ein Land, das seine Toten ehrt


Wer durch Armenien reist, begegnet einem Land, das tief in seiner Geschichte verwurzelt ist – und nirgendwo wird das so deutlich wie auf seinen Friedhöfen. Diese Orte sind keine reinen Ruhestätten. Sie sind stille, würdevolle Galerien des Lebens, die mit einer Intensität und Schönheit überraschen, wie man sie selten sieht. Der Tod ist hier nicht das Ende, sondern ein Teil des Lebenszyklus, und das zeigt sich besonders in der Art und Weise, wie Armenier ihre Verstorbenen ehren.

Erinnerung in Stein gemeißelt – Die besondere Grabsteinkunst

Gefahr aus dem Gras – Schlangenpopulationen in Armenien und Georgien


Warum Hunde in manchen Nationalparks nicht erlaubt sind – und was Reisende wissen sollten

Wer mit Hund auf Abenteuerreise durch die Weiten des Kaukasus zieht, spürt schnell: Hier gelten andere Regeln. Zwischen rauen Gebirgspfaden, blühenden Almwiesen und den weiten Steppenlandschaften Georgiens und Armeniens teilen sich Mensch und Tier ein Land, das voller Leben – und voller Gefahren ist. Eine davon ist kaum sichtbar, aber allgegenwärtig: Schlangen. Und unter ihnen einige mit tödlichem Biss.

Zwischen Mythos und Realität: Schlangen im Kaukasus

Armenien und Georgien gehören zu den artenreichsten Regionen des eurasischen Raums, was Reptilien betrifft. Besonders im späten Frühjahr und Sommer, wenn sich die Steine aufheizen und das Gras trocken wird, zeigen sich die Tiere vermehrt – nicht selten entlang von Wanderwegen, Feldstraßen oder direkt am Lagerplatz. Während viele harmlos sind, gehören einige zu den giftigsten Arten Europas.

Cognac vs. Armenischer Weinbrand – Zwei Brüder mit eigener Seele

Wer an edlen Branntwein denkt, hat meist sofort das Bild eines feinen Cognacs aus Frankreich vor Augen – gereift in Eichenfässern, goldfarben schimmernd, mit Aromen von Vanille, Tabak und Trockenfrüchten. Doch kaum einer weiß: Auch im Kaukasus, in Armenien, wird seit Jahrhunderten ein „Cognac“ gebrannt, der es in sich hat. In diesem Artikel vergleichen wir den französischen Cognac mit dem armenischen Weinbrand, der aus gutem Grund lange Zeit ebenfalls den Namen Cognac tragen durfte.

Der Ursprung: Cognac, Frankreich

Cognac ist keine bloße Spirituose – es ist ein

Armenien – Wo der Wein das Leben kennt


 

Ich stand in dieser verdammten Höhle, irgendwo im Nirgendwo von Vayots Dzor, und es roch nach Staub, Stein und etwas, das älter war als alles, was ich je getrunken habe. Areni-1. Die älteste Weinkelterei der Welt, sagen sie. Fast 6.000 Jahre alt. Damals war der Wein noch keine Flucht, kein Luxus, kein Sommelierschwätz – sondern einfach Überleben. Ein bisschen Glück in Ton gekippt, zwischen Krieg, Hungersnot und Göttern, die nie zurückriefen.

Der Kirovez aus Russland – König der Äcker und Schatten der Nacht

Ich saß irgendwo bei Samara in Russland auf einem gottverlassenen Feldweg, das Fenster halb offen, der Wind roch nach Erde und Öl. Der Motor meines Pickups war längst verstummt, Castor schnarchte auf dem Bett und ich trank einen schlechten russischen Rotwein während die Nacht langsam über das Land kroch. Kein Licht, kein Dorf, keine Geräusche – nur diese endlose, schwarze Weite.

Und dann kam er. Nein – sie. Drei von ihnen.

Durch die Steppe nach Wolgograd – eine Fahrt auf den Spuren meines Vaters

Es war keine geplante Etappe. Die Zöllner in Astrachan hatten mich abgewiesen, da der Grenzübergang nicht für ein E-Visum vorbereitet ist. Ich war frustriert, kurz davor, den Tag zu verfluchen. Doch manchmal, da sind es gerade die Umwege, die uns zu den bedeutendsten Orten führen. Heute war so ein Tag. Der Tag, an dem ich durch das weite, endlose Land fuhr – von Astrachan nach Wolgograd, dem früheren Stalingrad.


Die Straße zog sich durch eine flache, trockene Landschaft, von kahlen Hügeln unterbrochen, staubig, leer und dennoch voller Geschichte. Ich fuhr durch das Herz der Steppe – ein Landstrich, in dem vor über 80 Jahren das Schicksal hunderttausender junger Männer besiegelt wurde. Einer von ihnen war mein Vater.

Mütterchen Wolga – Melancholie, Menschlichkeit und der Herzschlag eines Landes

Ein Reisebericht in zwei Tönen


Teil I – In den Schatten der Sonne

sie fließt nicht.  

sie zieht.  

die wolga.  

3.530 kilometer  

und jeder meter ein versprechen,  

das nicht gehalten wird.  

von den hügeln bei waldai  

bis ins kaspische meer  

wälzt sie sich durch die seele russlands  

wie eine alte frau  

mit zu vielen erinnerungen  

und zu wenig trost.

hier, bei stalingrad,  

wo der wind durch die steppen pfeift  

als hätte er vor 80 jahren  

noch nicht genug geschrien,  

steht die sonne tief,  

sehr tief.  

sie fällt wie blei  

auf die wolga  

und macht aus wasser  

Kalmückien – Europas letzte buddhistische Enklave

Mitten in Südrussland, zwischen Wolga und Kaspischem Meer, liegt Kalmückien – eine Region, die so gar nicht dem entspricht, was man sich unter Russland vorstellt. Weite Steppe, grasende Kamele, Tempel mit goldenen Dächern und Gebetsfahnen im Wind. 
Die Kalmücken sind das einzige buddhistische Volk Europas – Nachfahren mongolischer Nomaden, die im 17. Jahrhundert in russische Dienste traten.
Hier trifft der Buddhismus auf Sowjetvergangenheit, endlose Horizonte auf stille Einsamkeit. 
Wer sich auf die Reise dorthin begibt, taucht ein in eine stille, fremde Welt, die wie ein vergessenes Kapitel zwischen Asien und Europa wirkt.

Der Kaukasus und die Alpen – Zwei Giganten im Vergleich


Aktuell bin ich im Kaukasus in Georgien. Und verbringe einige Tage unter anderem am Anfang des Wilden Drestotals das leider nach wenigen Kilometern. Durch erdrutsche. Und Lawinen Abgänge. Blockiert ist. Hier kommt immer wieder der Gedanke dass es eigentlich nichts anderes ist als die Alpen in Österreich Deutschland und der Schweiz.

Aber es ist es wert? Die großen unterschiede einmal herauszustellen

Sno Volleyball und Truso Valley – oder: Wie man mit einem Isuzu D-Max nicht mit Bestechung nach Russland kommt


Ich bin Castor. 6 Monate jung, schön wie ein Sonnenaufgang über dem Tbilisi-Stausee und clever genug, um de zwei Grundregeln dieser Welt zu kennen: Erstens, alles riecht besser, als es schmeckt. Und zweitens, wenn der Alte sagt „Ich hab da mal ’ne Idee“, wird’s entweder gefährlich, peinlich oder beides.

Diesmal wollte er uns einfach so nach Russland schmuggeln. Ohne gültiges Visum. Die Logik: Vielleicht sind die Grenzer ja bestechlich oder einfach zu müde für Bürokratie. Spoiler: Waren sie nicht. Aber die Georgier, die uns an der Ausreise hinderten, waren immerhin höflich dabei. Mehr Service als in manchem Hotel, ehrlich gesagt.

Also kein Russland. Kein „Transitvisum at arrival“. Kein „wir schauen mal, ob sich da was regeln lässt“. Stattdessen: Plan B. B wie „Back to the Valley“. Oder besser gesagt: hin ins Tal. Denn heute fahren wir los. Erst nach Sno, 15 km vor der russischen Grenze. Dann ins Truso Valley. Noch kennen wir sie nicht, diese sagenumwobenen Orte – aber sie werden kommen. Und sie werden uns was erzählen. Oder wir erzählen ihnen was, mit knirschenden Reifen, knurrendem Magen und einer Nase, die jedes Geheimnis riecht, das jemals warm und dampfend aus einem Pferdehintern fiel.

"Goderdzi. 2025 Meter Drama, Dreck undIi Donnerwetter."

Der Alte hatte mal wieder diesen Blick drauf. Diesen Ich hab einen Plan-Blick, der meistens direkt ins Verderben führt. Wir folgten der Weinstraße, schön geschwungen, duftend nach Frühling, dann wurde es stiller, karger – und plötzlich waren wir mittendrin. Gebirge. Goderdzi-Pass. 2025 Meter hoch. Klingt hübsch auf dem Papier. In echt? Ein einziger verdammter Wahnsinn.

Die Straße – wenn man das so nennen darf – war auf 40 Kilometern mehr Baustelle als Weg. Oder besser: mehr Geröllfeld als alles andere. Weggeschwemmt, durchlöchert, aufgerissen. Wie das Gesicht eines alten Boxers nach zwölf Runden gegen Tyson. Nur schlimmer. 

Türkischer Regen, georgischer Müll und mein Maul voller Plastik

Es hat heute früh geregnet in der Türkei – richtig fies. Dicke Tropfen, klatschnass, und derI Alte hat beim Gassigehen geflucht wie ein Hafenknecht. Aber das war nicht der Hauptgrund für unsere Flucht über die Grenze nach Georgien. Nein, die türkische Seite war wieder mal ein Chaos in Uniform. Keiner sprach Englisch, jeder schaute finster, keiner wusste irgendwas. Der Alte wurde nervös, ich auch, aber nur, weil ich so dringend pinkeln musste.

Dann Georgien – zack, alles easy. Pässe gezeigt, ein paar freundliche Worte auf Englisch, fertig. So einfach kann das gehen, wenn Menschen sich Mühe geben. Ich mochte Georgien sofort. Aber meine Meinung änderte sich schnell.

Jetzt hocken wir nördlich von Batumi an einem Strand, der genauso aussieht wie die in der Türkei: Müll, Algen, Glasscherben und mehr Plastikflaschen, als mein Maul tragen kann. Und glaubt bloß nicht, die Hunde hier wären anders. Gleich viele, gleich aufdringlich. Schwanzwedelnde Nervensägen. Die schnüffeln mir am Hintern, als wär ich ein Döner.

Der Alte ist genervt. Ich glaube, er hat sich Georgien romantischer vorgestellt. Jetzt geht’s nur noch darum, irgendwie zwei oder drei Tage rumzukriegen, bis Harald und Gerhard aufschließen. Die beiden haben heute schon die Grenze zur Türkei überschritten. Vielleicht bringen sie frische Geschichten und ein paar Bier mit – oder wenigstens bessere Laune.

Ich greife jede Plastikflasche mit dem Maul, das macht ihn wahnsinnig. Aber was soll ich machen? Die Dinger riechen nach altem Käse, Öl oder Schokolade. Ich bin neugierig, verdammt! Vielleicht finde ich ja mal was Brauchbares. Eine Salami. Einen Schatz. Einen neuen Plan.

Der Alte sagt oft, wir können uns echt glücklich schätzen mit Südeuropa und Nordeuropa – mit ihren Stränden, Küsten, Fjorden, Dünen. Und ich glaube, er hat recht. Hier ist alles irgendwie schäbiger, grauer. Aber hey – das hier ist mein Trip. Und wenn’s sein muss, finde ich eben Schönheit im Dreck. Irgendwo zwischen Plastikflasche und Hafenhund.

Castor


Tag 12 – Doğanyurt, Wolkendecke und der Geschmack von irgendwas Leckerem

Ich sag mal so: Es war einer dieser Tage, an denen selbst der Diesel gähnte. Nur 200 Kilometer. Für andere mag das reichen, aber wir sind nicht andere. Der Alte murmelte sich durch die Fahrt wie ein schlecht gelaunter Reiseführer mit Sonnenallergie. 
"Sieht aus wie Ligurien", knurrte er. "Nur dreckiger. Und die Gebäude… Gott, sind die hässlich."
Ich glaub, er war gelangweilt. Wenn er das Maul so weit aufreißt, ohne dass ein Lächeln rauskommt, dann fehlt ihm was. Wahrscheinlich 'ne steile Serpentine mit Absturzgefahr oder 'ne kaputte Kupplung – irgendwas, das ihm den Puls hochjagt.

Zum Glück war die Straße wenigstens kurvig, eng und so steil, dass der Alte kurzzeitig das Leben wieder liebte. Ich hörte's an seinem Atmen – dieser kleine, feuchte Ton zwischen Angst und Erregung. Fast erotisch.

Jetzt liegen wir am Hafen von Doğanyurt. Der Himmel hängt schwer wie ein nasser Teppich über uns. Der Alte nennt das "Wolkenverhangen", ich nenn das: perfekte Tarnung fürs Dösen.
Vorher war noch Stopp am Döner-Imbiss direkt am türkischen Hafen – so ein Ding zwischen Straßenküche und Familienbetrieb. Ich weiß nicht genau, was das war, was er da in sich reingeschaufelt hat – irgendwas mit Fleisch, viel Soße, Brot, Schärfe und einem Duft, der selbst tote Möwen aus dem Hafenbecken gelockt hätte.
Ich durfte die Reste aus seinem Bart lecken. Und verdammt – das war gut. Richtig gut. Ich hätt ihm fast nochmal in die Nase gebissen, damit er wieder was bestellt.

Die Hunde hier machen einen Bogen um mich. Große Augen, eingezogene Ruten. Vielleicht haben sie’s gehört: Dass ich gestern meinen Fahrer gebissen hab. Nicht aus Wut. Nicht aus Schmerz. Aus Prinzip.

Man muss sich schließlich Respekt verschaffen in dieser Welt.

Und ich, Castor – ich bin auf Tour. Der Alte auch. Nur er weiß es noch nicht so genau.

Warum nennt ihr Menschen das Schwarze Meer „schwarz“?

Ein Bericht von Castor, dem Hund auf Achse

Ich sitzte am Strand, die Nase halb im Wind, halb in der Mandel von gestern. Der Alte sagte nichts. Er tat das oft. Da Vorne flackert das Meer wie ein müder Traum.
„Schwarzes Meer“, murmelte er neulich, „warum eigentlich schwarz?“
Ich zuckte mit dem Ohr. Gute Frage. Ich meine, ich sehe Farben anders. Aber das da draußen – das ist nicht schwarz. Das ist das große Dazwischen. Manchmal ein bisschen wie Leberpastete in flüssig.

Wir sind jetzt fünf Tage hier. Ich rieche Salz, Fisch, alten Diesel und das Parfüm einer Frau, die gestern ein Stück Brot in meine Richtung warf. Der Alte hat's nicht gesehen. Ich hab ihr kurz die Hand geleckt. Geschmack von Einsamkeit und Zigaretten. Gute Mischung.

Aber zurück zum Thema. Ich hab recherchiert. Also: Ich lag im Sand und hab zugehört, wenn der Alte was gemurmelt hat, oder Leute an der Promenade laut über Dinge sprachen, die sie nicht ganz verstanden. Typisch Mensch. Viel Meinung, wenig Schnauze.

**Junghundedemenz oder: Wie ich lernte, das Bein zu heben und dem Alten den Mittelfinger zu wedeln**

Heute war der Tag.  Der Wendepunkt.  Der verdammte Knall im Kopf.  

Ich hab zum ersten Mal mein Bein gehoben beim Pissen.  Nicht wie so ein harmloser Hosenpisser-Welpe, der einfach stehen bleibt wie ein verdatterter Tourist im Supermarkt.  

Nein, ich hab das Bein gereckt wie ein Veteran, der das erste Mal seit Jahren wieder den Whiskey riecht.  Ausgerechnet in Bulgarien wo die Konkurrenz so groß ist. 

Der Alte hat’s gesehen, hat kurz gezuckt, dann genickt.  „Jetzt geht’s los mit der Pubertät“, hat er gemurmelt,  als würde er das Drehbuch schon kennen.  

Und dann hat er’s gesagt – das Wort, das sich wie ein Schlüssel in meinem Hirn gedreht hat:  **„Du bekommst langsam richtige Eier.“**  

Verdammt richtig, Alter. Und heute hab ich sie zum ersten Mal in den warmen Sand gelegt.  

Zwei kleine goldene Kronen auf dem heißen Teppich des Lebens.  Und ich schwöre dir, ich hab den Wind gespürt, der flüsterte:  **„Du bist jetzt ein Mann, Castor.“**

Was der Alte noch nicht weiß:  Mit dem Beinheben kam auch was anderes.  Was Dunkles. Was Wildes.  Die Erinnerung ist ein Sieb.  Und der Gehorsam ein alter Zettel, den ich in den Matsch geschmissen hab.  

**Junghundedemenz.**  Nichts bleibt hängen.  „Sitz“? Nie gehört.  „Komm“? Wer ist das?  „Platz“? Such dir 'nen Teppich, Alter.

Ich bin Castor, Sohn der Straße, König der Sandhügel und Patron heiliger Pfützen.  Der Alte muss sich warm anziehen.  Denn ab jetzt tanze ich nicht mehr nach seiner Pfeife.  Ich tanze nach dem Lied meiner Eier.

**Castor – Never Stop Discovering**  P.S.: Ich werde euch von jeder rebellischen Minute berichten.  P.P.S.: Der Alte nennt mich jetzt „Che Guevara mit Fell“.