Campingidylle mit Fäkalienmanagement

Der Alte sagt, das hier sei „Luxuscamping“. Ich sag dir: Das ist der Ort, an dem die Spontanität stirbt und mit Sagrotan einbalsamiert wird. 

Die letzte Vorhölle vor dem betreuten Wohnen.

Hier stehen sie alle, in Reih und Glied, wie die Zähne einer schlecht geputzten Zahnprothese: Die rollenden Einbauküchen mit Stromanschluss und Himmelbett.

Weiße Kisten, Weißware, Joghurtbecher, rollende Albträume auf Alufelgen. Deutsche, Österreicher, Polen. Alle sterilisiert, dreifach geimpft.



Sie haben ihre Kinder mit Bluetooth am Halsband. Nicht damit sie abhauen – das trauen sich die Kleinen ja gar nicht , sondern damit Mama mit dem iPhone sehen kann, wenn sie wieder mit dem linken Fuß ins künstliche Gras getreten sind. Wenn’s piept, wird geschrien. Wenn’s nicht piept, wird auch geschrien. Von den Eltern, nicht den Kindern.

Der Alte sagt, hier sei alles „gesittet“. Gesittet wie ein Einlauf beim Zahnarzt. Die Alten – in sandfarbenem Funktionsstoff – fahren mit dem E-Roller zum Klo. Nicht, weil sie’s müssen. Sondern weil’s der neue Volkssport ist:

Möglichst wenig Schritte, möglichst viele Kalorien im Campingsessel verbrennen. Die Beine sind Dekoration.

Und wenn Mutti auf dem Weg zur Indoor-Dusche mit Föhn, Duschgel und Dinkelpeeling-Tuch noch schnell das Klo-Foto für Instagram macht – dann zieht der Typ, ihr Gatte in Badehose tapfer das rollende Chemieklo hinterher. 

Ja. Das rollende Klo. Er fährt es höchstpersönlich quer durch den Platz. Mit dem Stolz eines römischen Feldherrn, der gerade Gallien erobert hat. Nur dass dieser Feldzug mit einem Plumps endet. Eine Tapferkeitsmedaille in Blau: Porta Potti, Modell XL mit Schwenkarm.

Und dann ist da dieser kleine Fifi, so ein drittklassiger Kissenköter, der nicht mal die 30 Meter vom Klo zum Wohnwagen laufen darf. Der wird getragen. Wie ein verdammtes rohes Ei mit Designerhalsband. In Rosa. Mit Glöckchen. Und er liegt auf einer orthopädischen Hundematte mit Kühlung. 

Und ich? Ich, Castor, bin der einzige gottverdammte Hund hier, der noch selber läuft. Keine Tasche, kein Kinderwagen, kein Rettungshubschrauber. Nur vier Pfoten, Staub zwischen den Zehen und ein Blick, der schon mehr gesehen hat als alle E-Rollerfahrer hier zusammen.

Und als die Tante vorhin mit ihrem Roller vorbeizog – so ein pseudogrünes Ding auf Elektrosaft – hatte sie das Handy an der Lenkstange, Google Maps an, Zielort: eigener Wohnwagen. Ich schwöre, ohne Navi würde sie zwischen Dusche und Parzelle verhungern wie ein lebloses Stück Biomüll.

Es riecht nicht nach Abenteuer.

Es riecht nach Lidl-Feuchttüchern, nach Grillkäse, nach Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 4000 und nach der Angst, den Nachbarn mit zu lauter Klospülung zu stören.

Aber...

es ist ruhig. Verdächtig ruhig. Wie in einem Naturkundemuseum, in dem die Tiere noch leben, aber wissen, dass sie ausgestopft werden.

In dieser neuen Wildnis gibt es viel zu sehen: 

Schweißflecken auf Decathlon-Stühlen, peinliche Ehen in Plastikhüllen, und die große deutsche Angst vor der Unordnung.

Der Alte hockt in seinem Stuhl.

Der Kaffee ist längst kalt.

Er schaut sich das alles an,

lehnt sich zurück

und sagt leise:

„Castor, mein Junge – das hier ist besser als Kino. Nur dass hier keiner mehr spielt. Die meinen das ernst.“

Und ich?

Ich leg mich unter das Auto,

mit Blick auf die wandelnden Absurditäten,

und denk mir:

Das ist nicht das Ende der Welt. Aber man kann es von hier aus schon riechen.




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